Reaktionen auf Bertelsmann-Studie

KBV für Schließung von Kliniken

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Symbolisches Schloss: Die Aussagen einer Bertelsmann-Studie zu Klinikschließungen sorgen für Aufsehen.

Symbolisches Schloss: Die Aussagen einer Bertelsmann-Studie zu Klinikschließungen sorgen für Aufsehen.

© Vectorios2016/ iStock | Bearbeitung: ajo

BERLIN. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht sich durch die Bertelsmann-Krankenhausstudie bestätigt. „Ein krampfhaftes Festhalten am Status quo bringt niemanden weiter. Kleine und defizitäre Krankenhäuser um jeden Preis zu erhalten, ist nicht zielführend – auch nicht im Sinne der Menschen vor Ort“, kommentiert der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen die Studie, in der Krankenhausexperten die Schließung von 800 Kliniken in Deutschland empfohlen hatten.

Die Häuser hätten weder die personellen noch die apparativen Kapazitäten, umfassend zu versorgen. Zudem könnten sie mangels Routine, etwa bei operativen Eingriffen, nicht die gebotene Qualität anbieten, heißt es.

Die Forderung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Kliniken mehr für die ambulante Versorgung zu öffnen, weil die KVen Engpässe nicht lösen können, wies Gassen zurück. „Viele regionale Krankenhäuser wären gar nicht in der Lage, eine umfassende Grundversorgung zu gewährleisten, weil ihnen schlichtweg die Ressourcen fehlen“, so Gassen. Welches Landkrankenhaus verfüge heute noch über eine gynäkologische oder augenärztliche Abteilung?, fragt der KBV-Chef. Die KBV setze eher auf intersektorale Gesundheitszentren. Umbau statt Abbau, sei sinnvoll.

Klinik-Schließungen sollten wohldosiert vorgenommen werden, reagiert der Berufsverband der Chirurgen (BDC) auf die Studie. Es sei nicht der richtige Weg, deutschlandweit 800 Kliniken zu schließen. Im Mittelpunkt sollte zunächst die Zentralisierung komplexer Eingriffe stehen, sagt BDC-Präsident Professor Hans-Joachim Meyer.

Spezialisierungen könnten für kleinere Krankenhäuser eine Chance für den wirtschaftlichen Weiterbetrieb bedeuten, es werde aber nicht davor schützen, langfristig Krankenhäuser in der Fläche zu schließen, so der BDC.

Planungsentscheidungen würden in den Ländern und nicht am grünen Tisch der Bertelsmann-Stiftung getroffen, kritisiert der Marburger Bund (MB) die Studie. Es lasse sich aus der Warte von Ökonomen leicht von Zentralisierung und Kapazitätsabbau fabulieren, wenn dabei die Bedürfnisse gerade älterer, immobiler Menschen unter den Tisch fielen, die auf eine wohnortnahe stationäre Grundversorgung angewiesen seien, so der MB. Versorgungsprobleme würden nicht dadurch gelöst, dass pauschal regionale, leicht zugängliche Versorgungskapazitäten ausgedünnt würden, heißt es in einer Stellungnahme. (chb)

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Kommentare
vlad arghir 17.07.201913:38 Uhr

Wohin Gesundheitsaufgabe?

Die Bertelsmann-Studie wie hier zusammengefasst erscheint weitgehend kontraintuitiv und jedenfalls dem Gemeinwohl nicht unbedingt dienlich. Ist zB das NHS nicht abschreckend genug? Ceterum autem, wird sich die Ärzteschaft gegen die schleichende Privatisierung wehren?

Dr. Thomas Georg Schätzler 16.07.201921:24 Uhr

KBV von allen guten Geistern verlassen?

Über eine Verringerung der Zahl der Krankenhäuser wird in Deutschland seit langem diskutiert:

- im AOK-Krankenhaus-Report von 2018 sollten 500 Kliniken in Deutschland dran glauben.
https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/bedarfsplanung/article/959967/aok-krankenhausreport-500-kliniken-koennen-dicht-machen.html

- die "Leopoldina" mit einem 8-Thesen-Papier und dem anspruchsvollen Titel "Nationale Empfehlungen - Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem (2016)" wollte 600 Kliniken ersatzlos schließen.
www.leopoldina.org/de/publikationen/detailansicht/publication/zum-verhaeltnis-von-medizin-und-oekonomie-im-deutschen-gesundheitssystem-2016/

Zugespitzt wird das Ganze durch einen aktuellen Report der Bertelsmann-Stiftung (BS), nach dem die gerade erst im ländlichen Raum geförderten Kliniken wieder geschlossen werden sollten: Paradoxerweise, damit die Versorgung der Patienten verbessert werden kann.

Von den derzeit knapp 1.400 Krankenhäusern sollten nur deutlich weniger als 600 größere und bessere Kliniken erhalten bleiben. Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Er­fahrung für eine sichere Behandlung, betonen die Autoren der BS-Studie.

Völlig vernachlässigt wird dabei, dass Erst-, Notfall-, Rettungs- und Transportmaßnahmen dadurch erheblich verzögert werden und in die BS-Kalkulationen nicht mal ansatzweise eingeflossen sind. Primäre, sekundäre und tertiäre Versorgungsebenen gehören nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in Sozialen Brennpunkten und Randgebieten zur Daseinsvorsorge.

Eher Medizin- und Versorgungs-fremde bzw. volks- und betriebswirtschaftlich den großen Krankenhaus-Konzernen nahestehende Krankenhausexperten wie Professor Boris Augurzky vom RWI, Professor Reinhard Busse von der TU Berlin oder Professor Max Geraedts von der Uni Marburg haben Interesse-geleitet ein Zerrbild entwickelt, das in eine IGES-Simulationsrechnung der Kliniklandschaft im Großraum Köln/Leverkusen mit gut 2 Millionen Menschen und ihrem Einzugsgebiet mündet.

Das Chaos wird vorprogrammiert: Ärztinnen und Ärzte, Kranken- und Gesundheitspflege, Logistik und freie/gemeinnützige Klinik-Betreiber werden zu Gunsten großer, teilweise monopolartig operierender Krankenhaus-Konzerne und Aktiengesellschaften von der Bertelsmann-Stiftung und dem Berliner IGES-Institut diskriminiert und auseinanderdividiert!

Dazu schaltet sich fach- und wissensfremd die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als institutionelle Vertretung der vertragsärztlich niedergelassenen Haus- und Fachärzte bzw. Psychotherapeuten ein, die in vielen Bereichen nicht mal den eigenen Sicherstellungsauftrag für die Kassenärztliche Versorgung stemmen kann.

Und ausgerechnet "unsere" KBV-Strategen wollen weitere Gräben zwischen ambulanten und stationären Versorgungsebenen ausheben?

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Lysekil/Göteborg/S)

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