Interessenvertretung auf den letzten Metern
KBV und Kassenverbände wenden sich an Abgeordnete
Am Mittwoch legt der Gesundheitsausschuss letzte Hand an das GKV-Spargesetz. Die KBV kämpft noch gegen die geplante Streichung der Neupatientenregelung, die Kassen fordern Ordnungspolitik statt eines Griffs in die Kassenreserven.
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Blick ins Plenum des Bundestages: Die Woche der Entscheidungen über das umstrittene GKV-Finanzstabilsierungsgesetz ist angebrochen. Am Mittwoch legt der Gesundheitsausschuss ein letztes Mal Hand an. Dann kann das Parlament das Gesetz beschließen.
© Bernd von Jutrczenka/picture alliance
Berlin. Im Vorfeld der Sitzungen des Gesundheitsauschusses und des Bundestagsplenums haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Verbände der Krankenkassen ihre Positionen zum Spargesetz der Ampel akzentuiert. Letztere appellierten an die Abgeordneten, die „letzte Chance“ für eine faire Ausgestaltung“ des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes zu nutzen.
An diesem Mittwoch feilen die Abgeordneten voraussichtlich zum letzten Mal an den umstrittenen Paragrafen. Am Montag stand der Punkt allerdings noch nicht auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums. Erwartet wird, dass er nach der Ausschusssitzung und anschließender Beratung der zuständigen Bundestagsgremien dann doch auf die Agenda gesetzt wird.
KBV beharrt auf der Neupatientenregel
Mit dem Gesetz in der jetzigen Fassung schwäche die Politik die wertvollen Strukturen der ambulanten Versorgung und verschlechtere die Versorgung von Millionen Patientinnen und Patienten, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Montag mit Blick auf die Leistungen der Vertragsärzte während der Corona-Pandemie.
Die am Wochenende bekannt gewordenen Pläne, die Versichertenpauschalen für über die Terminservicestellen und von Hausärzten vermittelte Termine aufzuwerten, lösen bei der KBV keinen Jubel aus. „Um es ganz klar zu sagen: Ein stärkeres Einbringen der Terminservicestellen kann den Wegfall der Neupatientenregelung nicht kompensieren“, betonte Gassen.
Deren positive Wirkung sei dagegen enorm: Im ersten Quartal 2022 sei die Zahl der Neupatientenfälle mit 27,1 Millionen so hoch wie noch nie seit Einführung der Regelung im Januar 2019 gewesen, habe das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung festgestellt. Zi-Berechnungen zufolge bringt die Neupatientenregelung den Vertragsärzten etwa 420 Millionen Euro im Jahr.
Gassen zeigt sich von Äußerungen Dahmens befremdet
„Gleichzeitig zu fordern, dass diese ambulanten Strukturen jetzt die kontinuierlich mit finanziellen Hilfen bedachten Krankenhäuser entlasten, mutet schon etwas befremdlich an“, kommentierte Gassen die Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der Grünen Dr. Janosch Dahmen. Die Abschaffung der Neupatientenregelung sei falsch, da sie die Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung weiter verschärfe.
Dahmen, selbst Arzt, hatte zuvor im „Spiegel“ angesichts zunehmender Personal- und Liquiditätsprobleme von Kliniken vor Lücken in der Patientenversorgung gewarnt und „rasche Entlastungen“ gefordert. Alle Behandlungen, die nicht sinnvollerweise in Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren erbracht werden könnten, müssten jetzt auch dorthin verlagert werden.
„Die Praxen sind voll. Steigende Fälle von Erkältungskrankheiten, die Behandlung von Coronapatienten und die Betreuung chronisch kranker Menschen fordern die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und ihre Teams der Medizinischen Fachangestellten bis zum Anschlag und darüber hinaus“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Dies werde von der Politik nicht nur nicht anerkannt, mit der geplanten Streichung der Neupatientenregelung werfe die Ampel-Koalition den Niedergelassenen zusätzlich Knüppel zwischen die Beine.
„Anstatt zu bremsen, muss die Politik die ambulanten Strukturen stärken und darf die Niedergelassenen nicht ständig demotivieren“, ergänzte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel.
Kassen halten Gegenvorschlag bereit
Die Verbände der Kranken- und Ersatzkassen sowie die Knappschaft fordern, die Refinanzierung des Finanzlochs für 2023 von 17 Milliarden Euro fair zu verteilen. Auch wenn die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags oder die Abschmelzung der Kassenreserven geringer ausfallen sollen als ursprünglich angesetzt, seien es nach wie vor die Beitragszahlerinnen und -zahler, die für den Löwenanteil aufkommen sollen, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Kassenverbände. Den Kassen werde der Spielraum für zukunftsorientierte Investitionen beschnitten.
Sie fordern vom Bund stattdessen kostendeckende Beiträge für die Übernahme gesamtgesellschaftlicher Aufgaben wie die Gesundheitsversorgung der ALG-II-Bezieher sowie eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel auf den ermäßigten Beitragssatz von sieben Prozent. Beides zusammen würde die GKV um rund 15 Milliarden Euro entlasten. (af/KNA)