Südwesten

KV will Hausärzte als Lotsen

Wohin steuert die ambulante Versorgung? Südwest-KV-Chef Metke glaubt: "Die Zeit ist reif, dass sich etwas ändert." Er will Hausärzte zu Lotsen machen - und eigene Ärztezentren aufbauen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Regiopraxis in Baiersbronn: Die KV will ihre Einrichtungen massiv ausbauen.

Regiopraxis in Baiersbronn: Die KV will ihre Einrichtungen massiv ausbauen.

© KV Baden-Württemberg

STUTTGART. Hausärzte sollen als Lotsen in der Versorgung gestärkt werden, ohne dabei Patienten die Option zu verbauen, zuerst den Facharzt aufzusuchen. Das ist der Kern des Modells für eine modifizierte Patientensteuerung in der GKV, für das die KV Baden-Württemberg wirbt.

Gleichzeitig will die Südwest-KV ihre Eigeneinrichtungen massiv auszubauen - mit dem Ziel, vor allem Ärztinnen flexiblere Arbeitsmodelle anzubieten.

"Die Zeit ist reif, dass sich etwas ändert", sagte KV-Chef Dr. Norbert Metke am Mittwoch der "Ärzte Zeitung". Er erwartet, dass nach der Bundestagswahl am 22. September in der Gesundheitspolitik "der Markt neu geordnet wird".

Daher müsse es für Ärzte darum gehen, Antworten zugeben, wie die Gesundheitsversorgung der Zukunft aussieht. "Leisten wir das nicht, dann werden die niedergelassenen Ärzte zur Disposition gestellt", zeigte sich Metke überzeugt.

Gerade nach Abschaffung der Praxisgebühr gelte: "Der Patient geht dahin, wo er will." Seine Vorschläge, die er am 22. Februar bei einer Klausurtagung der KBV vorstellen will, laufen daher auf die Betonung des Hausarztes als Lotse heraus.

Keine Primärarztmodell

Dieser müsse in seiner Rolle als Erstdiagnostiker und Therapeut gestärkt werden. Dabei sollten Hausärzte, die vielerorts "am Rande ihrer Leistungsfähigkeit" arbeiteten, von besonders qualifizierten Medizinischen Fachangestellten entlastet werden.

Konkret schlägt Metke vor, die Versorgungsassistentin VERAH, die im Rahmen von Hausarztverträgen bereits etabliert wurde, auf in der Regelversorgung einzusetzen.

"Dabei muss exakt definiert werden, welche Aufgaben der Arzt delegieren kann", fordert Metke. Denn dieses Modell sei letztlich preiswerter als die viel diskutierte Substitution ärztlicher Aufgaben durch andere Gesundheitsberufe.

Der Vorschlag der KVBW sieht weiter vor, den Erstzugang der Patienten zum Facharzt zu erhalten. Von dort müsse anschließend eine enge Rückkopplung zum Hausarzt erfolgen.

Aufgabe des Hausarztes sei es dann, zu entscheiden, auf welcher Versorgungsebene der Patient weiter betreut wird. Er wolle definitiv kein Primärarztmodell, stellte Metke klar.

Fachärzte könnten sich im gegenwärtigen System nur durch "Verdünnerfälle" wirtschaftlich über Wasser halten, also durch Mengenausweitung.

Metke will hin zu einem Modell, bei dem sich Fachärzte mit mehr Zeit auf Patienten konzentrieren können, die tatsächlich fachärztliche Betreuung brauchen.

Trotz dann sinkender Patientenzahlen soll der Honorartopf von Fachärzten im neuen Modell unverändert bleiben. Dies müsse sich in einer entsprechenden Neuordnung des EBM niederschlagen, so Metke.

Niederlassung für Frauen attraktiver machen

Zeitgleich schlägt die Südwest-KV vor, ihre Eigeneinrichtungen massiv auszubauen. Nur so sei es möglich, dass die Körperschaft vor allem Ärztinnen Arbeitsmodelle anbieten kann, die vom Nachwuchs akzeptiert werden, sagt Metke.

Junge Ärzte würden den Wert der Niederlassung und der Freiberuflichkeit immer kritischer hinterfragen, erläuterte Metke. Darauf müsse die KV reagieren.

Für das Vorhaben, eigene Ärztezentren zu errichten, müssten "viele Millionen Euro" in die Hand genommen werden, so der KV-Chef. Ansatzpunkt für die konkrete Umsetzung könne Paragraf 105 im Sozialgesetzbuch V sein.

Bislang ist dort - recht restriktiv - die Möglichkeit eröffnet, dass eine KV für unterversorgte oder von Unterversorgung bedrohten Regionen einen Strukturfonds auflegen kann, der mit bis zu 0,1 Prozent der Gesamtvergütung ausgestattet werden kann.

Die Kassen müssen nochmals die gleiche Summe einzahlen. Diese gesetzliche Option müsse ausgebaut werden, forderte Metke.

Antworten für Versorgungsfragen finden

Damit verfestige sich ein Trend, der sich ohnehin in Baden-Württemberg bereits abzeichne, so Metke: Die KV stellt Infrastruktur zur Verfügung, die freiberuflich tätige Ärzte nutzen. Das gelte beispielsweise für Einrichtungen wie die Regiopraxen - die zweite dieser Praxen soll noch in diesem Jahr in Bad Schussenried eröffnet werden.

Das gelte aber besonders für Notfallpraxen, die von der KV betrieben werden. Am Ende der im Südwesten heiß diskutierten Notfalldienst-Reform werde die KV 50 bis 60 dieser Praxen als Eigeneinrichtungen betreiben, erinnerte Metke.

In den künftigen, von der Südwest-KV anvisierten Ärztezentren sollen vor allem Ärztinnen die Option haben, zunächst angestellt in Teilzeit zu arbeiten. Später würden diese dann die Möglichkeit haben, sich in das Ärztezentrum einzukaufen, um so vom Angestelltenverhältnis in die Freiberuflichkeit zu wechseln.

Die Finanzierung dieser neuen Form von Eigeneinrichtungen sei eine gemeinsame Aufgabe von KV und Kassen, machte Metke klar. Innerärztlichen Fundamentalwiderstand gegen diese neue Rolle der KV erwartet Metke nicht. Die KV als Bereitsteller von Infrastruktur sei mittlerweile breit akzeptiert.

Die Frage, wie in Zukunft eine flächendeckende und bezahlbare ärztliche Versorgung in Deutschland gewährleistet werden soll, sei noch nicht beantwortet. Hier müsse sich die KV Baden-Württemberg aktiv in die Debatte einbringen, forderte Metke. "Nur wer Antworten hat, wird auf Fragen gehört."

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 07.02.201316:13 Uhr

KV-eigene Ärztezentren?


Jetzt scheint allmählich klarer zu sein, warum die KV so vehement das funktionierende Notfallsystem in Baden-Württemberg umkrempeln und abschaffen will.

Die bisherigen Argumente sind eindeutig vorgeschoben, zum Beispiel, daß die Notdienste junge Ärzte vor der Niederlassung abschrecken. Oder daß die Demographische Entwicklung zu einer Vergreisung der Ärzte führen wird (bis 2050!)

Papperlapapp!

Hier steht jetzt zum ersten Mal das wirkliche Motiv.
Die KV will sich über die 40-50 Notfallpraxen eine "Eigeneinrichtung" schaffen.

Wenn das nicht ein wunderbares Beispiel einer Selbstbedienung ist!

Während die KV nicht bereit war und ist, den Wocheneend- und Notfalldienst (bisher rund 50 Mio Euro in BaWue)angemessen zu honorieren, steckt sie eine Wahnsinnssumme (rund 40 Mio. Euro) in den Ausbau von 40 bis 50 Notfallpraxen. Würden diese 40 Mio zusätzlich zu den existierende 50 Mio. in den bestehenden Notfalldienst gesteckt werden, gäbe es auch keine Klagen mehr wegen einer Unterhonorierung der Dienste und das Leben auf dem Land wäre attraktiver für die Ärztin und den Arzt.

Soll doch die KV Eigenbetriebe basteln, wie sie will, und die Ärzte an der Basis praktizieren den sofortigen Systemausstieg ... wie lange muß die Schraube noch angezogen werden, bis das der Fall ist?

Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

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