GSAV

Kabinett beschließt neues Arzneigesetz

Lunapharm, Valsartan und gepanschte Zytostatika – die Koalition reagiert auf die jüngsten Arzneiskandale. Per Gesetz sollen künftig Kontrollen verschärft werden. Das ist aber nicht die einzige Neuerung.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Mit einem neuen Gesetz will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Arzneiversorgung sicherer machen.

Mit einem neuen Gesetz will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Arzneiversorgung sicherer machen.

© nmann77 / stock.adobe.com

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigt erneut, dass er ein Mann zügiger Entscheidungen ist und an seinem Plan festhält, die Arzneiversorgung sicherer zu machen.

Erst im November legte er – ausgelöst durch die jüngsten Arzneimittelskandale – den Entwurf fürs Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vor, über das Kassen künftig etwa Pharmahersteller bei Qualitätsmängeln in Regress nehmen können.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett diesen beschlossen. Zwar mit einigen Änderungen, aber in seinen Kernforderungen hat sich der Minister durchgesetzt.

Erweiterte Rückrufkompetenzen

Bedingt durch den Lunapharm-Skandal werden die Rückrufkompetenzen der Bundesoberbehörden erweitert. Sie sollen künftig bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis oder beim Vorliegen des Verdachts einer Arzneimittelfälschung Rückrufe auslösen können – das gilt für nationale und europäische Zulassungen.

Zudem wird die Häufigkeit unangemeldeter Inspektionen bei den Herstellern erhöht. Das trifft – getrieben vom Fall eines Bottroper-Apothekers, der Zytostatika mit zu geringem Wirkstoff abgegeben haben soll – aber auch Apotheken, die patientenindividuelle Arzneimittel zur parenteralen Anwendung herstellen.

Außerdem müssen die Länder die zuständigen Bundesoberbehörden über geplante Inspektionen bei Herstellern in Drittstaaten informieren. Die Behörden können an diesen Inspektionen auch teilnehmen.

Bei verunreinigten Chargen von Arzneimitteln oder anderen Produktmängeln, die einen Rückruf auslösen, sollen die Krankenkassen wie gesagt künftig einen Anspruch auf Regress gegenüber dem Hersteller erhalten.

Verordnung und Abgabe von Biosimilars werden gefördert

Das Gesundheitsministerium hofft, dass die Hersteller damit auch ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Arzneimittel sicher zu machen.

Die Regelung geht auf den Skandal um den Wirkstoff Valsartan zurück: Im überwiegend in Indien und China hergestellten Wirkstoff waren möglicherweise krebsauslösende Stoffe entdeckt worden.

Insgesamt soll die Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Länderbehörden verbessert werden. „Patienten müssen sich sicher sein können, dass Arzneimittel ihnen helfen und nicht schaden“, sagte Spahn.

Der Minister hat aber noch einige aus Versorgungsgesichtspunkten nicht unumstrittene Punkte im Gepäck: So bleibt es dabei, dass die Verordnung und Abgabe von Biosimilars gefördert werden soll.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll „unverzüglich Hinweise zur Austauschbarkeit“ wirkstoffgleicher biologischer Arzneimittel geben, heißt es im Gesetzentwurf.

In drei Jahren, so das Ministerium, sollen auch Apotheken Biosimilars, die auf dieser GBA-Liste stehen, austauschen können. Gleichzeitig wird die Selbstverwaltung verpflichtet, feste Versorgungsziele mit Biosimilars zu vereinbaren.

Umsatzschwelle für Orphan Drugs geplant

Weitere Punkte das GASV

Frischzellen: Die Herstellung zur Anwendung am Menschen soll verboten werden. Das BMG soll per Gesetz die Möglichkeit erhalten, eine entsprechende Verordnung zu erlassen.

Cannabis: Die Verordnung wird weniger bürokratisch. Nach einmal erfolgter Genehmigung soll künftig im Falle einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte ein neuer Antrag bei der Kasse entfallen.

Für neue Therapien wird eine Dokumentations- und Meldepflicht bei Verdacht auf Nebenwirkungen eingeführt.

Für Arzneimittel zur Versorgung von Patienten mit Hämophilie wird die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg (Direktvertrieb des Herstellers mit Ärzten und Krankenhäusern) zurückgenommen.

Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2019 in Kraft treten.

Einen Dämpfer erhalten die Orphan Drugs: Besteht nur ein bedingter Zusatznutzen, kann der GBA die Durchführung begleitender Datenerhebungen verlangen. Zeigt sich daraufhin kein qualifizierter Zusatznutzen, kann es zu Abschlägen beim Erstattungsbetrag kommen.

Hier biege der Gesetzgeber in eine Sackgasse ein, moniert Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa).

Die dafür notwendigen aufwändigen Datenerhebungen gingen an der Praxis völlig vorbei. Hier müsste man aufgrund der wenigen Patienten wenn, eher europaweite Register andenken.

Kritik übt der vfa auch an der geplanten neuen Umsatzschwelle für die Orphan Drugs, bei der die Unternehmen europaweite Umsätze angeben müssen.

Diese Gesetzesänderung würde die positive Entwicklung bei den Orphans viel zu früh „abwürgen“. Denn noch seien sehr viele seltene Erkrankungen gar nicht behandelbar.

Neue Pläne für Rabattverträge

Auch beim Thema Re-Importe macht sich Spahn nicht unbedingt Freunde: Die bisherige Preisabstandsgrenze von 15 Euro bzw. 15 Prozent bei der Regelung zum Import von Arzneimitteln wird zwar durch eine differenziertere Preisabstandsregelung ersetzt.

Doch die sei viel komplizierter, warnt Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Bundestagsfraktion Die Linke. „Das ist nicht im Sinne des Patientenschutzes.“

Spahn will aber auch hier Wirtschaftlichkeitsreserven – insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln – heben.

Kritik gibt es zudem an seinen Plänen für die Rabattverträge: Bei den Verträgen sollen Kassen und Hersteller künftig eine unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte Lieferfähigkeit des Arzneimittels berücksichtigen. Das soll vor allem die Kassen in die Mitverantwortung bei potenziellen Lieferengpässen nehmen.

„Blumige Programmsätze ohne konkrete gesetzliche Vorgaben zur Umsetzung reichen aber nicht aus“, mahnt etwa der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Es sei eine Korrektur nötig, die „Anbietervielfalt und Versorgungssicherheit über kurzfristige und vorübergehende Einsparungen stellt“, sagt der BPI-Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Zentgraf.

Feste Fristen für E-Rezept

Zudem wird das Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach ausschließlicher Fernbehandlung aufgehoben. Die erst vor zwei Jahren eingeführte Regelung im Arzneimittelgesetz (§ 48 AMG) sah vor, das Apotheken Rezepte dann nicht einlösen dürfen, wenn der Verordnung „offenkundig“ kein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt vorausgegangen ist (auch als „Lex Dr. Ed“ bekannter Passus).

Nach Inkrafttreten des GSAV können Apotheken somit verschreibungspflichtige Arzneimittel künftig auch nach einer offensichtlichen ausschließlichen Fernbehandlung abgeben. Das soll die Digitalisierung vorantreiben, denn die festen Fristen für Regelungen zur Verwendung des E-Rezepts, das Spahn bis Mitte 2020 flächendeckend in der Versorgung haben will, stehen ebenfalls im Entwurf: hier sind 7 Monate Frist nach Inkraftreten des Gesetzes vorgsehen.

Zustimmung kommt hier vom Koalitionspartner SPD: Das mit dem GSAV eingeführte elektronische Rezept werde die medizinische Versorgung zusammen mit der elektronischen Patientenakte „stark digitalisieren“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Professor Karl Lauterbach am Mittwoch in Berlin.

Zusammen mit der Tele-Sprechstunde werde es dazu beitragen, die Zahl der persönlichen Arzt-Patienten-Kontakte zu verringern. (Mitarbeit run)

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 30.01.2019 um 16:16 Uhr und  am 1.2.2019 um 17 Uhr

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