Kassenchef "großzügig" bei Silikonbrüsten

Im Skandal um minderwertige Brustimplantate prescht jetzt die erste Krankenkasse vor: Die AOK im Rheinland kündigt eine "großzügige" Regelung bei der Kostenübernahme an. Notfalls will sich die Kasse Teile davon bei den Operateuren zurückholen.

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Silikonkissen in der Kritik: Im Rheinland will die AOK großzügig bei den Explantationskosten sein.

Silikonkissen in der Kritik: Im Rheinland will die AOK großzügig bei den Explantationskosten sein.

© PanoramiC / imago

KÖLN/BERLIN (iss/sun). Die Krankenhäuser in Nordrhein sollen alle Patientinnen anschreiben, denen Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt wurden.

Das haben die Krankenkassen im Rheinland in einem gemeinsamen Brief an die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen gefordert.

Die Frauen sollen darüber informiert werden, dass sie sich in dem Krankenhaus, das ihnen das Implantat eingesetzt hat, beraten lassen sollen oder bei einem niedergelassenen Gynäkologen, sagt Wilfried Jacobs, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.

Empfehlen Ärzte die sofortige Entfernung des Implantats, sollten sich die Frauen sofort mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen, um die Kostenübernahme zu klären.

Patientinnen nicht mit Kostenfragen belasten

"War eine Krankheit die Ursache für den Eingriff, ist klar, dass die Kassen die Kosten übernehmen", sagte Jacobs der "Ärzte Zeitung". Anders sehe es bei Schönheitsoperationen aus.

"Geht von den qualitativ schlechten Implantaten eine Gesundheitsgefährdung aus, werden wir das aber großzügig handhaben", verspricht er. Die Kassen werden dann im Einzelfall prüfen, wie es zu der Operation gekommen ist.

Gegebenenfalls werden sie versuchen, den Operateur an den Kosten zu beteiligen oder eventuell eine Schadenersatzforderung an den Hersteller zu richten. PIP ist allerdings bereits im März 2010 in die Insolvenz gegangen.

Es sei wichtig, die betroffenen Frauen in der aktuellen Situation möglichst nicht auch noch mit solchen Fragen zu belasten, gibt Jacobs zu bedenken.

Die Vorgänge um die qualitativ schlechten Brustimplantate von PIP machen nach seiner Ansicht eines deutlich: "Wir brauchen eine strengere Qualitätssicherung bei Medizinprodukten."

Auch in Bereichen wie Schönheitsoperationen müsse gewährleistet sein, dass die Qualitäts sicherung vor der Gewinnmaximierung komme. "Außerdem müssen ausländische Präparate offensichtlich noch strenger geprüft werden."

Register gefordert

Carola Reimann (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, forderte unterdessen Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, aus dem Skandal um schadhafte Brustimplantate Konsequenzen zu ziehen. Sie plädierte dafür, ein Zulassungsverfahren für Medizinprodukte einzuführen.

"Nicht für jede Kleinigkeit", so Reimann, "jedoch wenigstens für die Medizinprodukte, die dafür vorgesehen sind, ein Leben lang im Körper zu bleiben". Hier sei eine europäische Regelung sinnvoll, sagte Reimann der "Ärzte Zeitung".

Bahr (FDP) weigere sich jedoch, dem Vorstoß des französischen Gesundheitsministers Xavier Bertrand, die Medizinprodukte stärker zu kontrollieren, zu folgen. Das sei ein Fehler. Schließlich diene eine stärkere Kontrolle vor allem der Patienten sicherheit.

Bisher sei die Datenlage insgesamt völlig "unzureichend". Daher müsse auch nach den Operationen die Kontrolle verstärkt werden. Darüber hinaus sei ein Register für Medizinprodukte notwendig.

Den Vorschlag des CDU-Politikers Jens Spahn, strengere Regeln für Schönheitsoperationen einzuführen, kritisierte Reimann als "unzureichend". Das Thema sei zu komplex, da reiche es nicht, lediglich die Definitionen zu ändern.

"Der Schutz des Begriffs der ‚Schönheitschirurgie‘ ist im ärztlichen Berufsrecht aufzunehmen. Heute können Ärzte, Heilpraktiker und andere die nicht geschützte Berufsbezeichnung ‚Schönheitschirurgie‘ verwenden, und damit Verbrauchern eine nicht vorhandene Qualifizierung suggerieren", sagte Spahn der "Ärzte Zeitung".

Geschützt sei derzeit nur die Facharztbezeichnung ‚plastische Chirurgie‘, so Spahn. "Das reicht aber im Sinne des Patientenschutzes nicht aus."

Die Krankenkassen stellten sich hinter Spahns Vorschlag. "Eine verbindliche Definition des Begriffs der Schönheitschirurgie könnte den Patienten die Unterscheidung erleichtern, wann Ärzte als Unternehmer handeln, um Geld zu verdienen und wann sie als Arzt tätig sind, um Menschen zu helfen", sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes.

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