Berlin und der ÖGD
Keinen Rotstift bei Gesundheitsämtern ansetzen!
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) in Berlin fürchtet den Rotstift. Denn: Wegen der Corona-Pandemie haben Politiker bereits strenge Sparmaßnahmen angekündigt.
Veröffentlicht:Berlin. Die Angst vor einer Sparrunde geht im Öffentlichen Gesundheitsdienst um. Zwanzig Prozent des Landeshaushaltes könnten wegbrechen, hatte etwa Stephan von Dassel, Bürgermeister des Bezirks Mitte, in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ die Alarmglocken geläutet. Die Bezirke stellten sich schon auf strenge Sparmaßnahmen ein. Alle Optionen würden bereits ausgelotet.
Trotz Corona sieht Dipl.-Med. Gudrun Widders, Leiterin des Gesundheitsamtes Spandau, den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) hier nicht auf der sicheren Seite. Zwar habe sich Berlin bemüht, die Gesundheitsämter wieder mit mehr Personal aufzustocken. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre, in denen besonders im ÖGD massiv gespart worden sei, seien aber Befürchtungen, dass auch hier wieder der Rotstift angesetzt werden könnte, nicht unberechtigt.
Leistungen des ÖGD mehr würdigen
Darüber hinaus findet Widders, die auch stellvertretende Vorsitzendes des Verbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes der Länder Brandenburg und Berlin ist, dass die Leistungen und Kompetenzen des ÖGD in der Corona-Krise nicht genügend anerkannt werden.
„In der Öffentlichkeit werden die Ärzte und Schwestern in den Krankenhäusern als stille Helden genannt, das Personal in Pflegeeinrichtungen, Feuerwehrmänner, Polizisten, Busfahrer, Verkäufer, Wasserversorger, Abfallentsorger etc. Über die besonderen Leistungen der Gesundheitsämter redet kaum jemand. Auch nicht der Regierende Bürgermeister des Landes Berlin.“
An Michael Müller hat der Verband deshalb am 31. März geschrieben und diesen aufgefordert, die Leistungen der Gesundheitsämter „angemessen“ zu würdigen.
„Das wäre ein wichtiges Signal für all diejenigen, die sich in einem an die Grenzen gesparten Öffentlichen Gesundheitsdienst noch immer verantwortlich fühlen und mit viel Engagement helfen, die schwierige Situation zu meistern“, heißt es in dem Schreiben. Seit Wochen arbeite das Personal im ÖGD unentwegt sieben Tage in der Woche, 11 oder 14 Stunden Arbeitszeit seien die Regel.
Medizinstudenten könnten helfen
Inzwischen, erklärt Widders, sei es gelungen auch durch den Einsatz von Fremdpersonal aus anderen Verwaltungen, wieder normale Dienstpläne zu schreiben und Mitarbeitern Erholungsphasen zu geben. Mit den jetzt begonnenen Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen sei aber zu erwarten, dass dieses Fremdpersonal nach und nach wieder an seinen ursprünglichen Einsatzort zurückkehrt und nicht mehr zur Verfügung stehe. „Die Herausforderung wird darin bestehen, in diesen Größenordnungen schnellstmöglich Personal zu rekrutieren und es einzuarbeiten“, so Gudrun Widders.
In diesem Prozess könnten Medizinstudenten sehr hilfreich sein, die nach einem Programm der Regierung dafür qualifiziert werden können, bei Aufgaben des ÖGD mitzuhelfen. „Besonders wichtig ist uns dabei aber auch, dass sie in den Gesundheitsämtern etwas über unsere Arbeit erfahren können“, sagt Widders. Im Medizinstudium komme das leider zu kurz.
Konkretes zu Kürzungen erst im Mai
Festlegen will sich die Hauptstadt zum jetzigen Zeitpunkt nicht bei der Frage der „Ärzte Zeitung“, ob es schon sicher sei, dass bei möglichen künftigen Sparrunden der öffentliche Gesundheitsdienst von Kürzungen ausgenommen wird. Dafür ist es nach Ansicht der Senatsverwaltung für Finanzen zu früh. Denn welche Löcher die Corona-Krise in die Kassen der Stadt und Bezirke reißen wird, sei noch nicht absehbar. „Noch gibt es keine Festlegungen unsererseits. Das wird auch erst nach Kenntnis der konkreten Zahlen aus der Konjunkturprognose und der Steuerschätzung im Mai möglich sein“, teilt die Pressestelle mit.