Rückschlag für Gesundheitsministerin Nina Warken

Klinikreform fliegt von der Kabinettsliste: Spekulationen schießen ins Kraut

Das Krankenhausreformanpassungsgesetz verzögert sich. Am Mittwochvormittag war klar, dass sich das Kabinett nicht damit befassen würde. Über die Gründe wird spekuliert. Kämpft die SPD um Lauterbachs Erbe?

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Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch bei der Sitzung des Bundeskabinetts.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch bei der Sitzung des Bundeskabinetts.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Am Montagnachmittag war Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) noch zuversichtlich: „Ich bin sicher, dass wir am Mittwoch diesen Gesetzentwurf im Kabinett verabschieden“, sagte die Unionspolitikerin beim „Krankenhausgipfel“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Angesprochen war das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG), mit dem die schwarz-rote Koalition dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ihre eigene Note aufdrücken will.

Keine 48 Stunden später war diese Aussage Makulatur, der Entwurf von der Tagesordnung der Ministerrunde gekegelt. Alles halb so schlimm, signalisierte Warkens Pressestelle am Mittwoch: Es sei nicht unüblich, dass auch mal ein Kabinettstermin verschoben werde, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Ärzte Zeitung mit.

Als „falsches Signal“ an die Kliniken und die Patientinnen und Patienten bezeichnete Baden-Württembergs Gesundheitsminister Mane Lucha (Grüne) die Entscheidung. Das Verfahren dürfe auch aus Sicht der Länder nicht weiter verzögert werden.

Die Ministerin selbst musste sich dem Parlament am Mittwochnachmittag in einer bereits vorher angesetzten Fragestunde stellen. Mehr als Allgemeinplätze kamen dabei aber nicht heraus: „Wir wollen die begonnene Reform alltagstauglich machen – im Dialog mit den Ländern“, sagte Warken. Dem CSU-Abgeordneten und Hausarzt Dr. Stephan Pilsinger antwortete sie auf die Frage, warum die Reform sinnvoll sei, es bestehe Einigkeit darin, dass etwas verändert werden müsse.

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Der Abgeordnete der Grünen und Arzt Professor Armin Grau fragte nach den vier Milliarden Euro an Sofort-Transformationsförderung, die ab Herbst über die Krankenhausrechnungen an die Häuser fließen sollen.

Er wollte wissen, ob damit nicht Anreize geschaffen würden, die zu einer Ausweitung der Fallzahlen führen könnten. Warken antwortete: „Wir glauben, dass das eine schnelle und bürokratiearme Lösung ist, um Kliniken im Transformationsprozess unterstützen. Den Fehlanreiz sehen wir so nicht.“

Mit dem Gesetz plant die Koalition eine Reihe von Ausnahmeregelungen. Unter anderem sollen Qualitätskriterien dem Versorgungsbedarf in einer Region untergeordnet werden dürfen und Leistungsgruppen entfallen.

Die Regierung habe ihre interne Abstimmung zum Krankenhausreformanpassungsgesetz noch nicht beendet, hieß es am Mittwoch in Warkens Ministerium. Und: Es werde weiter an einer Einigung mit dem Ziel einer zeitnahen Kabinettsbefassung gearbeitet. Ein Ministeriumssprecher wies zudem darauf hin, dass der Zeitplan des Gesetzes „bewusst ambitioniert“ sei, um dem Koalitionsvertrag zeitnah Folge zu leisten.

AOK-Bundesverband kritisiert Reform-Entwurf

Tatsächlich wurde der Entwurf des Gesetzes auch schon am Dienstag vor der Kabinettssitzung noch heftig diskutiert. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann kritisierte die geplante Rücknahme von Qualitätsvorgaben für die Kliniken.

Sie verwies zudem auf einen aktuell geplanten vier Milliarden Euro schweren Zuschlag für die Krankenhäuser, der ab diesem Herbst aus dem Sondervermögen Infrastruktur fließen soll. „Das Geld bekommen alle Kliniken – ganz egal, ob sie zukunftsfähig aufgestellt sind und gute Behandlungsergebnisse aufweisen, oder nicht“, sagte Reimann. Auch dass mit dem KHAG mit der Krankenhausreform (KHVVG) aufgestellte Qualitätsvorgaben wieder zurückgenommen werden sollen, ist dem SPD-nahen Verband der Ortskrankenkassen suspekt.

Wegen der Milliarden schweren Zuwendungen, auch zwei Milliarden Euro an Investitionen in die Cyber-Sicherheit der Krankenhäuser sind geplant, wird zudem über eine Intervention von Lars Klingbeil (SPD) spekuliert. Der Bundesfinanzminister erwartet Gegenleistungen seiner Kabinettskolleginnen und -kollegen in Form von Einsparungen. Die Gesundheitsministerin ist ihm an dieser Stelle möglicherweise nicht weit genug entgegengekommen.

In der SPD-Fraktion wollte man sich am Mittwoch nicht dazu äußern, dass die Vorlage kurzfristig von der Kabinettsliste genommen wurde. Dort verwies man darauf, dass sich der Gesetzentwurf ohne eine Verabschiedung durch das Kabinett nicht im parlamentarischen Prozess befinde, sprich: noch nicht in der Zuständigkeit der Fraktionen. Die nächste Chance, den Gesetzentwurf über die Kabinettshürde zu hieven, tut sich in drei Wochen auf.

DKG-Chef Gaß: Scheitern wegen politischer Uneinigkeit?

Auch in der Deutschen Krankenhausgesellschaft wird die Frage nach der Verantwortung für die Verzögerung diskutiert. Es scheine parteipolitische Streitigkeiten zu geben.

„Stellt sich die SPD nun quer aus Sorge, das politische Erbe von Minister Lauterbach könne beschädigt werden?“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß der Ärzte Zeitung am Mittwoch. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehe eine Reform, deren Umsetzung nicht an einer Verzögerung scheitern dürfte, wohl aber an politischer Uneinigkeit.

Gaß betonte, dass Änderungen am Gesetzentwurf notwendig seien. Sie verwässerten die Reform nicht und gefährdeten auch nicht die gemeinsamen Ziele: „Im Gegenteil“, sagte Gaß. Sie könnten den Weg für eine umsetzbare Lösung ebnen. Gaß forderte die Ministerin auf, Führungsstärke zu zeigen. (af/ML)

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