Verordnungsentwurf

Wettbewerb der Kassen: BMG will den Tiger zähmen

Die Überwachung der Werbemaßnahmen ist bisher ein Hase-Igel-Spiel zwischen den Krankenkassen und ihren Aufsichten. Jetzt will das Ministerium von Jens Spahn die Vorgaben schärfen und bundeseinheitlich ausgestalten.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Thomas HommelThomas Hommel Veröffentlicht:
Das dürfen Krankenkassen nicht mehr: Die Mitteilung über den steigenden Zusatzbeitrag darf nicht mit Werbung verknüpft werden.

Schlechte Botschaft schön verpackt: Das dürfen Krankenkassen nicht mehr: Die Mitteilung über den steigenden Zusatzbeitrag darf nicht mit Werbung verknüpft werden.

© Sascha Steinach / dpa

Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will die Werbung der gesetzlichen Krankenkassen in einheitliche Bahnen lenken. Das geht aus der Krankenkasse-Werbemaßnahmen-Verordnung hervor, die der „Ärzte Zeitung“ als Referentenentwurf vorliegt.

Bisher gibt es nur allgemeine Prinzipien im Sozialgesetzbuch V, die eine einheitliche Handhabung durch die Kassenaufsichten erschweren. So heißt es bisher beispielsweise, dass die Werbung der Kassen in einer Form zu erfolgen habe, die mit der Eigenschaft der Kassen als Körperschaften öffentlichen Rechts vertretbar sei.

Wettbewerbsgrundsätze als zahnloser Tiger

Zwar haben sich die Aufsichtsbehörden der Länder und das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS, ehemals BVA) auf gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze geeinigt. Doch die sind, heißt es im Referentenentwurf, als Verwaltungsbinnenrecht „für die Krankenkasse nicht unmittelbar rechtsverbindlich“. Insoweit lässt sich aus dem Verordnungsentwurf auch das Scheitern einer bundesweit einheitlichen Aufsicht über Werbemaßnahmen der Kassen herauslesen.

Ein Schwerpunkt der geplanten Vorgaben bezieht sich auf den Vergleich zwischen Krankenkassen. Hier seien Kassen bei gegenseitigen Vergleichen „zu besonderer Fairness angehalten“. Ein Vergleich des Beitragssatzes sei nur dann zulässig, „wenn zugleich über etwaige Leistungsunterschiede aufgeklärt wird“, heißt es.

Besonders restriktiv sind die Vorgaben für Aussagen zum künftigen Zusatzbeitragssatz. Diese sind mit Blick auf das kommende Jahr nur dann zulässig, „wenn der Fortschritt der Haushaltsplanung insoweit bereits hinreichend sichere Aussagen erlaubt“, ist dem Entwurf zu entnehmen.

Höherer Zusatzbeitrag und Werbung – das geht nicht

Kassen müssen zudem ihre Mitglieder im Fall eines höheren Zusatzbeitrags auf ihr Sonderkündigungsrecht schriftlich hinweisen. Die Briefe dürfen nicht mit Werbeaussagen verknüpft sein. Bisherige Wettbewerbsgrundsätze enthalten an dieser Stelle nur eine Soll-Bestimmung. Hier gibt die geplante Verordnung demnach einen schärferen Kurs vor.

Mehrfach haben sich die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit auch am Umgang mit Wechsel- und Halteprämien abgearbeitet. Kassen dürfen den Mitgliedern keine geldwerten Vorteile jenseits gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehener Leistungen anbieten, um ein Versicherungsverhältnis bei einer Krankenkasse zu begründen („Wechselprämie“) oder nicht zu beenden („Halteprämie“).

Staffelprämien sollen untersagt werden

Über die Stränge geschlagen haben in der Vergangenheit offenbar gewerbliche Vermittler, die im Auftrag der Kassen neue Mitglieder geworben haben. Hier will das Spahn-Ministerium vorschreiben, dass die Aufwandsentschädigung der Vermittler nicht so gestaltet darf, dass die Vergütung je aufgenommenem Mitglied sich mit der Zahl der insgesamt geworbenen Mitglieder erhöht; sogenannte Staffelprämien sind demnach verboten.

Die Deckelung der Entschädigung – im laufenden Jahr umgerechnet 95,55 Euro je geworbenem Mitglied – solle einen Überbietungswettbewerb der Kassen untereinander verhindern. Anders als bisher müssen die Kassen die Aufwandsentschädigungen für externe Dienstleister in die Berechnung ihres jährlichen Gesamtwerbebudgets einbeziehen.

Strikte Vorgaben für Werbung bei Sportveranstaltungen

Die geplante Verordnung verschärft im Vergleich zu bisherigen Wettbewerbsgrundsätzen auch Vorgaben für die Werbung bei Sportveranstaltungen, etwa in Form von Trikot- und Bandenwerbung. Diese ist nur noch zulässig, wenn die Veranstaltung insgesamt „vorrangig der Information über die Krankenkasse dient oder es sich um eine gesetzlich zulässige Präventionsmaßnahme handelt“. Verboten ist dagegen die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- sowie im Profisport.

Das BAS hatte die Kassen zuletzt im Oktober zur Einhaltung der Wettbewerbsgrundsätze gemahnt und dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juli 2019 verwiesen (Az: B 1 KR 16/18 R). Damals war die AOK Rheinland/Hamburg dazu verdonnert worden, nicht mehr mit Vergünstigungen bei bestimmten privaten „Vorteilspartnern“ zu werben. Im Internet hatte die AOK früher mit Rabatten etwa bei Kochkursen, Bädern und Freizeitparks geworben.

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