Statistik

MDK lehnt nur bei jedem Zehnten einen Pflegegrad ab

Der MDK hat 2018 mehr Versicherten einen Pflegegrad zugebilligt. Klinikrechnungen stellen die Prüfer vor steigende Herausforderungen.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Fast 98 Prozent der MDK-Gutachten wurden laut MDS-Geschäftsführer Dr. Peter Pick in der gesetzlichen Fünf-Wochen-Frist beschieden.

Fast 98 Prozent der MDK-Gutachten wurden laut MDS-Geschäftsführer Dr. Peter Pick in der gesetzlichen Fünf-Wochen-Frist beschieden.

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BERLIN. Immer mehr Menschen profitieren vom neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Vergangenes Jahr haben die Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) bei 1,8 Millionen Menschen einen Pflegegrad anerkannt, heißt es im Jahresbericht, den der Spitzenverband MDS am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Damit wurden rund 90 Prozent der Anträge positiv von den Gutachtern beschieden. 2016, vor Einführung der fünf Pflegegrade, lag die Ablehnungsquote bei 19 Prozent.

„Die neue Pflegebegutachtung hat ihre Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt“, sagte MDS-Geschäftsführer Dr. Peter Pick. Um das Mehr an Anträgen (plus 25 Prozent seit 2015) zu bewältigen, hat der MDK sein Personal deutlich aufgestockt (plus 764 auf mittlerweile 3145 Pflegefachkräfte).

Die Gutachten konnten im Schnitt binnen zwei Wochen erstellt werden. Fast 98 Prozent wurden in der gesetzlichen Fünf-Wochen-Frist beschieden, so Pick. Das heißt im Umkehrschluss jedoch, dass 44.000 Menschen ihr Gutachten zu spät erhalten haben.

Neuer Pflege-TÜV vor Start

Noch in diesem Jahr wird außerdem der neue Pflege-TÜV scharfgeschaltet. Die Prüfer vom MDK werden ihren Fokus mehr auf die Bewohner von Pflegeeinrichtungen und weniger auf die Dokumentationen lenken, kündigte Pick an. Die Einrichtungen müssen ab Oktober halbjährlich Qualitätsdaten an die Auswertungsstelle (DAS) übermitteln.

Die MDK-Prüfer werden diese Informationen künftig anhand regelmäßiger Stichproben in den Heimen auf Plausibilität prüfen. Stellen sie Defizite fest, drohen den Einrichtungen Auflagen, Abstriche bei der Vergütung oder gar eine Kündigung des Versorgungsauftrags.

Geringfügig weniger Arbeit hatte der MDK im vergangenen Jahr mit Prüfungen für die Krankenkassen. 5,7 Millionen Stellungnahmen haben sie erarbeitet (100.000 weniger als 2017). Damit haben die Prüfer jedoch fast jede dritte reklamierte Verordnung von Hilfsmitteln sowie Leistungen zur Vorsorge oder Rehabilitation gekippt (31,2 und 33,6 Prozent).

In zahlreichen weiteren Fällen haben sie die Verordnung zumindest eingeschränkt. Bei den ambulanten Leistungen haben die Gutachter fast jeder zweiten Einrede von den Kassen stattgegeben. Auch jede zehnte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) hielt vor den Prüfern nicht stand.

Klinikabrechnungen beschäftigen MDK

Immer mehr Arbeit hat der MDK auch mit den Abrechnungen der Krankenhäuser. Jede Zweite der 2,6 Millionen von den Kassen beanstandeten Rechnungen hat der MDK kassiert. Fast jeder siebte stationäre Behandlungsfall wurde somit unter die Lupe genommen. 2014 waren es noch 700.000 Prüfungen weniger.

Der Mehraufwand hat seinen Preis: In den letzten fünf Jahren hat der MDK allein für die Abrechnungsprüfung über 300 neue Stellen geschaffen. Der MDK kostet die gesetzlich Versicherten mittlerweile 861 Millionen Euro im Jahr.

Dr. Ulf Sengebusch vom MDK Sachsen vermutet hinter falschen Abrechnungen „Fehlanreize“, denn den Kliniken würde die Rechnung lediglich auf den korrekten Betrag gekürzt. „Das ist so, als würde man beim Schwarzfahren erwischt und müsste dann nur den Ticketpreis bezahlen“, so Sengebusch. Der MDK könnte sich daher mehr systematische Prüfungen sowie Strafzahlungen vorstellen.

Die Kliniken hingegen sehen sich durch den „massiven Anstieg der Einzelfallprüfungen heimgesucht“. Die Kassen würden sie „missbrauchen“ und die Kliniken in eine „systemische Verliererposition“ drängen, kritisierte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), am Donnerstag.

Die Kassen würden die Rechnungskontrollen „beliebig“ mit den laufenden Leistungen verrechnen, und den Krankenhäusern somit „Rabattverträge“ aufzwingen. Die Politik sei in der Pflicht, die Prüfverfahren rasch zu reformieren, forderte Baum.

Auch der Bundesrechnungshof hatte am Mittwoch die bisherige Prüfpraxis bemängelt, wonach die Krankenkassen zu pauschalen Kürzungen der Entgelte greifen.

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