Gastbeitrag

Medical Schools - eine gute Ergänzung zur Uni

Deutsche Universitäten stoßen bei der Ausbildung des akademischen Nachwuchses an ihre Kapazitätsgrenzen. Gleichzeitig müssten wegen des Ärztemangels immer mehr Mediziner ausgebildet werden. Medical Schools könnten hier dauerhaft eine gute Ergänzung sein.

Von Christian Ell Veröffentlicht:
Hauptgebäude der Universität Oldenburg. Ab 2012 sollen hier auch Medizinstudenten ausgebildet werden.

Hauptgebäude der Universität Oldenburg. Ab 2012 sollen hier auch Medizinstudenten ausgebildet werden.

© Uni Oldenburg

Die Universitäten platzen aus allen Nähten. Dennoch nimmt der Medizinermangel von Jahr zu Jahr zu. Abwanderung in patientenferne Bereiche und der hohe Frauenanteil unter den Medizinstudenten sind die Hauptursachen.

In Anbetracht der Situation des zunehmenden Ärztemangels und der Tatsache, dass die staatlichen Universitäten ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben, erscheint es grundsätzlich begrüßenswert, dass an zahlreichen Stellen über die Schaffung von Medical Schools als Ergänzung zur staatlichen Medizinerausbildung nachgedacht wird: Vorreiter war der Asklepios-Konzern, der schon 2008 zusammen mit der Semmelweis-Universität in Budapest die "Asklepios Medical School" gegründet hat.

Dabei fungieren die Hamburger Asklepios Kliniken für den klinischen Studienabschnitt als medizinische Dependance der Semmelweis-Universität. Grundlage ist das EU-Recht, das solche Satelliten innerhalb der EU-Länder erlaubt. Mittlerweile hat schon der zweite Jahrgang mit rund 50 Studenten mit der Ausbildung begonnen.

Trotz der Studiengebühren von etwa 1000 Euro pro Monat sind die Plätze überbucht. Sie werden nach einem gründlichen Auswahlverfahren, vor allem an Studenten, die an der Semmelweis-Universität Physikum gemacht haben, vergeben.

Mit Unterstützung des Wissenschaftsrates wird es wohl 2012/2013 eine weitere länderübergreifende Medizinische Fakultät, getragen von der Universität Groningen und der Universität Oldenburg, geben.

Das Konzept sieht den Aufbau eines neuen medizinischen Standortes der Universität Groningen an der Universität Oldenburg unter Einbeziehung von drei Oldenburger Kliniken als Lehrkrankenhäuser vor.

Das Studium in Oldenburg soll praxisnah sein - ohne Trennung von Klinik und Vorklinik. Das heißt, das Modell der "Medical School Oldenburg-Groningen" beginnt nicht nach dem Physikum, sondern startet mit dem ersten Semester. Dabei soll es auch zu einem wechselseitigen Austausch der Studenten kommen.

Ebenfalls 2012/2013 möchten die "Kassel Medical-School" und die "European Medical School" in Wiesbaden an den Start gehen. Die Vorbereitungen in Wiesbaden laufen bereits seit 2009.

Während die Kasselaner eine Dependance der Universität Southampton bilden wollen, ist in Wiesbaden ein Zusammengehen mit der Universität Szeged angedacht.

Schließlich befindet sich in München eine "International Medical School" in Gründung, die in der Vorklinik eine Zusammenarbeit mit den Universitäten Regensburg beziehungsweise München anstrebt.

Allen Medical Schools gemeinsam ist, dass die Zahl der Studenten pro Semester deutlich geringer als an den staatlichen Universitäten sein wird und die klinische Ausbildung dadurch praxisnäher sein kann.

Vom ersten klinischen Semester an sollen die Medizinstudenten mehrere Stunden am Tag direkt am Krankenbett arbeiten und lernen. Davon darf man sich versprechen, dass die klinisch-praktische Ausbildung nicht nur besser, sondern auch die emotionale Bindung an die praktische ärztliche Tätigkeit so stark sein wird, dass es weniger Studienabbrecher geben wird und auch die Abwanderung in praxisferne Bereiche nach dem Studium geringer ist.

Ein möglicher Nachteil der Medical Schools könnte allerdings sein, dass die Achse Lehre und Forschung nicht - oder nicht in gleicher Weise - wie in den klassischen Universitäten gegeben ist.

Dieses Risiko könnte allerdings ein Stimulus für die Medical School sein, ihrerseits das weite Feld der klinischen Forschung oder der Versorgungsforschung für sich zu entdecken und dadurch auch die eigenen Qualitätsstandards zu heben.

Schließlich wollen die Studenten der Medical Schools auch promovieren, um mit den Absolventen der staatlichen Universitäten nach dem Staatsexamen "auf Augenhöhe" zu sein.

Überhaupt darf erwartet werden, dass die Jungmediziner, die an den Medical Schools ausgebildet werden, bessere Bewerbungschancen haben und höhere Gehälter bereits zum Start ihrer beruflichen Laufbahn geboten bekommen.

Da sie nach vier Jahren klinischer Ausbildung am Krankenbett vom ersten Arbeitstag an als vollwertige Ärzte eingesetzt werden können, sind sie attraktivere ärztliche Arbeitnehmer als die Jungärzte von den staatlichen Universitäten.

Einen gravierenden Nachteil weisen allerdings die Medical Schools auf: Da sie im Wesentlichen ohne staatliche Finanzierung auskommen müssen (Ausnahme Oldenburg-Groningen) sind sie gezwungen, nicht unerhebliche Studiengebühren zu verlangen.

Allerdings werden sicherlich Modelle entwickelt, um auch weniger betuchten Studenten die Möglichkeit zu bieten an den Medical Schools ausgebildet zu werden: Angesichts des Ärztemangels - insbesondere in kleineren Krankenhäusern - könnten interessierte Krankenhausträger die Studiengebühren ganz oder teilweise übernehmen oder zinsfreie Kredite anbieten.

Die Studenten verpflichten sich im Gegenzug nach dem Examen für eine befristete Zeit in den Krankenhäusern der Träger zu arbeiten.

Zur Person: Professor Christian Ell ist Gastroenterologe und Direktor der Klinik Innere Medizin II am Klinikum Wiesbaden.

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