Corona-Pandemie

Medizinethiker Nagel hält Impfpflicht ab 50 für problematisch

Eine Impfpflicht treibt die Gesellschaft auseinander, fürchtet der Medizinethiker Professor Eckhard Nagel. Gar nicht geht seiner Auffassung nach eine Begrenzung der Impfpflicht auf bestimmte Altersgruppen.

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„Sollten klar und eindeutig jede Form der Altersdiskriminieruntg ausschließen“, sagt der Medizinethiker Professor Eckhard Nagel (Archivbild).

„Sollten klar und eindeutig jede Form der Altersdiskriminieruntg ausschließen“, sagt der Medizinethiker Professor Eckhard Nagel (Archivbild).

© Michaela Illian

Augsburg. Der Medizinethiker und Transplantationschirurg Professor Eckhard Nagel hält eine Impfpflicht ab 50 in mehrfacher Hinsicht für ethisch äußerst problematisch. „Wir sollten klar und eindeutig jede Form der Altersdiskriminierung ausschließen“, sagte das langjährige Ethikrats-Mitglied der „Augsburger Allgemeinen“ am Freitag.

„Mit begrenzten Ressourcen auf der Intensivstation zu argumentieren, ist zwar verständlich, aber höchstproblematisch“, betonte Nagel. „Hier sind wir im Umkehrschluss schnell bei Diskussionen, ab welchem Lebensalter bestimmte medizinische Leistungen noch erbracht werden sollen“, warnte er. „Auch das würde womöglich das Gesundheitswesen entlasten, ist aber aus ethischer Sicht zutiefst inakzeptabel.“

Nicht vermittelbar

„Es darf nicht sein, dass bei Erreichen eines bestimmten Alters eine Behandlung nicht mehr zur Verfügung gestellt wird“, sagte Nagel der 15 Jahre dem Deutschen Ethikrat und einem Vorläufer angehört hatte. „Und deshalb halte ich den Gedanken, dass man sich umgekehrt ab einem bestimmten Alter verpflichtend behandeln lassen muss, um Ressourcen zu schonen, für falsch“, betonte er.

„Solchen Modellen sollten wir auf keinen Fall folgen“, sagte Nagel. „Auch wenn es gut gemeint ist: Hier besteht die Gefahr eines fatalen Missverständnisses“, fügte er hinzu. „Mit Ausnahme der Volljährigkeit als gesetzlich festgelegter Zeitpunkt vollständiger Autonomie erscheint jede Altersgrenze irritierend.“ Die Impfpflicht für Erwachsene erst ab einem bestimmten Alter einzuführen halte er deshalb für „äußerst problematisch“.

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Die diskutierte Beratungspflicht für noch nicht Geimpfte, befürwortete Nagel dagegen ausdrücklich. „Eine Verpflichtung zum Beratungsgespräch ist eine klare Ansage, die der Staat machen kann“, betonte er. „Die Solidargemeinschaft kann erwarten, dass sich alle ernsthaft mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Denn es geht nicht nur um die Gefährdung des Lebens von einzelnen Menschen, sondern auch um die Gefährdung des sozialen Miteinanders.“ Hier sei im Zweifel fachlicher Rat sehr hilfreich.

Von Anfang an falsch kommuniziert

„Dieses Gespräch im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist von ganz zentraler Bedeutung für jede medizinische Behandlung“, betonte der Bayreuther Medizinprofessor. „Deshalb haben wir uns in der Impfdebatte keinen Gefallen getan, als wir die Impfung zu einem kleinen Pieks heruntergeredet haben, den man noch nebenbei beim Einkaufen mitnehmen kann“, sagte Nagel.

„Impfen ist eine wichtige Schutzmaßnahme für die Gesundheit. Deshalb hätten wir heute eine ganz andere Ernsthaftigkeit, mit der sich die Menschen mit der Impfung auseinandersetzen, wenn wir von Anfang an das ärztliche Gespräch in den Mittelpunkt gestellt hätten“, betonte er. „Nur wenn wir eine gemeinsame Gesprächsebene finden, kommen wir als Gemeinschaft gestärkt aus dieser Krise“, so Nagel. „Ich befürchte, eine Impfpflicht treibt die Gesellschaft dagegen auseinander.“ (KNA)

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