Traumapatienten

Mehr Profis im Schockraum, weniger Todesfälle

Zertifizierung und Netzwerke wirken: In gut ausgestatteten Traumazentren haben schwer verletzte Patienten eine bessere Chance, die Klinik lebend zu verlassen.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Schnell, schnell: Bei einem Notfall drängt die Zeit.

Schnell, schnell: Bei einem Notfall drängt die Zeit.

© Mathias Ernert, Klinikum der Universität München

WIESBADEN. Mit der Anzahl der "Profis" in der Notaufnahme steigt die Chance der Notfallpatienten, das Krankenhaus wieder lebend zu verlassen. Darauf deuten neue Zahlen aus dem bundesweiten Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zur Versorgung von Patienten mit Verletzungen.

Sie wurden am Donnerstag zum Auftakt des 5. Interdisziplinären Kongress für Notfallmedizin DINK in Wiesbaden vorgestellt.

Professor Rolf Lefering von der Universität Witten/Herdecke nannte als kritische Masse zehn "Schockraum-Profis", also Ärzte mit einsprechender Qualifikation und Zertifizierung. Dazu zählt auch die Zahl der in der Notaufnahme tätigen Oberärzte. Bei zehn und mehr "Profis" sei ein positiver Trend bei der standardisierten Mortalitätsrate, kurz SMR, nachweisbar.

Die SMR drückt mit Werten über oder unter 1 aus, ob mehr oder weniger Todesfälle auftreten als erwartbar wären. Die SMR wird dazu in drei Gruppen eingeteilt: Werte unter 1 sprechen für eine bessere Versorgung, also höhere Überlebensraten, Werte über 1 drücken das Gegenteil aus, also eine höhere Sterblichkeitsrate. Werte nahe um 1 stellen letztlich den "Standard" dar.

Nach den Zahlen von Lefering aus dem DGU-Traumaregister kommen Zentren mit zehn oder mehr "Schockraum-Profis" kaum auf SMR-Werte über 1. Dort versorgte Patienten haben also eine vergleichsweise geringere Mortalitätsrate.

Auch die Zahl der Schockräume in einer Notaufnahme steht den Daten zufolge in einem Zusammenhang mit der Sterblichkeitsrate: Die wenigen Zentren mit drei oder mehr Schockräumen weisen in dem Register kaum standardisierte Mortalitätsraten über 1 auf - im Gegensatz zu Häusern mit nur einem Schockraum, wie vor allem kleinere Kliniken.

Dort gab es deutlich höhere Mortalitätsraten. Laut Lefering kann aus den Zahlen abgelesen werden, dass größere Zentren eine bessere Traumaversorgung leisten können.

Schädelhirntrauma: Bessere Prognose bei Motorradfahrern

Am DGU-Traumaregister nehmen derzeit rund 600 Kliniken teil, vor allem aus Deutschland aber auch aus zahlreichen anderen Staaten, darunter etwa die Niederlande oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Jährlich werden hier Daten von über 25.000 Patienten mit Verletzungen dokumentiert. Gegründet wurde es 1993.

Parallel dazu hat die DGU seither Zertifizierungen und die Bildung von lokalen, regionalen und überregionalen Traumazentren vorangetrieben. Mit dem Register soll die Leistung dieser Strukturen gemessen werden.

Eines nahm Lefering jedoch vorweg: "Wir wissen noch immer zu wenig über das Langzeit-Outcome", sagte er in Wiesbaden. "Das ist eine der Baustellen, an denen wir in Zukunft nachbessern wollen." Als problematisch stellt sich demnach das dauernde Follow-up der Traumapatienten dar. Auch die präklinische Versorgung kann nur in Teilen dokumentiert werden.

Dennoch liefert das Register interessante Einblicke in die Versorgung von chirurgischen Notfallpatienten. Dazu zählt auch eine zunächst recht banal klingende Feststellung: "Je mehr Körperregionen betroffen sind, desto höher ist die Sterblichkeit", sagte Lefering. Bei fünf betroffenen Körperregionen liege die Mortalitätsrate bei satten 50,7.

Das verwundert auf den ersten Blick kaum. Interessant ist vielmehr die Tatsache, dass im Traumaregister kaum Patienten mit Verletzungsmustern in mehr als fünf Körperregionen vorhanden sind. Die liegt laut Lefering vor allem daran, dass diese Patienten in den meisten Fällen die Klinik erst gar nicht erreichen - sie sterben bereits am Unfallort.

Auffällig ist zudem Leferings Hinweis, dass Schädelhirntraumen dann zur besten Prognose führen, wenn sie bei Motorradfahrern aufgetreten sind. Das sei der Helmpflicht zu verdanken, sie habe die SHT-Sterblichkeit gerade bei Zweiradfahrern deutlich verbessert.

"Pech" haben hingegen Fahrradfahrer: Bei ihnen führen Kopfverletzungen zu einer höheren Mortalität, ähnlich ist es bei Fußgängern.

Weniger Rettungseinsätze per Hubschrauber

Obwohl seit Jahren die Zahl der Einsätze mit Rettungshubschraubern steigt, zeigt die Auswertung aus dem Traumaregister, dass der Anteil verletzter Patienten, die per Helikopter in die Klinik eingeliefert werden, sinkt.

Im Jahr 2000 sei das mit 51 Prozent noch jeder Zweite gewesen, mittlerweile (Daten aus dem Jahr 2012) liegt der Hubschrauberanteil bei den Traumpatienten "nur" noch bei 23 Prozent.

Auffällig sei zudem, dass der Anteil der Helikoptereinweisungen nachweislich auch dann sinke, wenn Zentren sich der DGU-Zertifizierung unterzogen hätten. Die Gründe dafür sind allerdings unklar. Lefering erinnerte in diesem Zusammenhang an die jüngst nachgewiesenen besseren Überlebenschancen von Patienten, die per Helikopter eingeflogen werden (Crit Care 2013; 17: R124).

Eine mögliche Erklärung für den deutlich gesunkenen Anteil könnte sein, dass die Hubschrauber vermehrt für internistische Notfälle, etwa kardiovaskuläre Störungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle, aber auch für Verlegungen von Patienten verwendet werden. Die Helikopter stünden für Verletzungspatienten dann nicht mehr zur Verfügung, die Leitstellen würden auf herkömmliche Rettungswagen ausweichen.

Nach den Daten aus dem Traumaregister ist zudem die Zahl der intubierten Patienten deutlich gesunken. Nahezu gleich geblieben mit rund 90 Prozent ist sie nur bei Patienten mit einem schlechten Score von 9 oder geringer auf der Glasgow Coma Scale (GCS).

Bei Patienten mit einer höheren GCS bis 14 sei der Anteil von rund 60 Prozent im Jahr 2000 auf jetzt rund 25 Prozent gesunken. Bei noch höheren Scores sank der Anteil von 40 auf elf Prozent.

Und auch die Volumengabe ist rückläufig: Erhielten die Traumapatienten im Jahr 2000 im Schnitt noch rund 1750 Milliliter Plasmaersatz, sind es jetzt nur noch rund 800 Milliliter im Mittel. Zeitgleich haben sich in den Jahren jedoch die Hämoglobinwerte gebessert.

Das steht laut Lefering auch in einem Zusammenhang mit der Notwendigkeit, Blutkonzentrate zu geben. Auch hier sei ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.

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