Tabakwerbeverbot

Mit strengeren Raucher-Regeln Krebserkrankungen verhindern

Am Freitagnachmittag will der Bundestag über eine Verschärfung des Tabakwerbeverbots debattieren. Dass dies sinnvoll wäre, steht für das DKFZ außer Frage.

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Die Tabakindustrie zielt mit ihrer Marketingtaktik nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation immer stärker auf Jugendliche.

Die Tabakindustrie zielt mit ihrer Marketingtaktik nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation immer stärker auf Jugendliche.

© Patrick Pleul / dpa

Heidelberg/Genf. Der Vorrang wirtschaftlicher Interessen behindert nach Ansicht des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) den Kampf gegen den Krebs. „Drei Tabakkontrollmaßnahmen könnten bis 2050 eine Million Krebsfälle vermeiden“, sagt Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des DKFZ.

Würden wiederholte Steuererhöhungen, ein umfassendes Tabakwerbeverbot sowie eine einheitliche neutrale Verpackung für alle Zigarettenmarken umgesetzt, bliebe vielen Menschen ein schlimmes Schicksal erspart. Das sei das Ergebnis von Modellrechnungen von DKFZ-Forschern, die im Fachjournal „Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention“ veröffentlicht wurden.

Mons betonte im Vorfeld des Weltnichtrauchertages (31. Mai): „Leider fehlt der politische Wille, diese Schritte zu gehen.“ Die Lobby der Tabakindustrie sei in Deutschland weitaus stärker als die der Vertreter der Gesundheitsinteressen der Bevölkerung. Deutschland sei im Kampf gegen den gesundheitsschädlichen Tabakkonsum europäisches Schlusslicht.

Eine Million vermeidbarer Krebserkrankungen

Ohne zusätzliche Tabakkontrollmaßnahmen dürfte es im Jahr 2050 einen Raucheranteil von 14,8 Prozent bei den Männern und von 10,2 Prozent bei den Frauen geben, wie die Wissenschaftler auf der Basis des heutigen Rauchverhaltens und des derzeitigen jährlichen Rückgangs der Raucherquote errechneten.

Bei einer sofortigen Einführung der drei vorgeschlagenen Maßnahmen würden demnach in 30 Jahren voraussichtlich nur noch 9,7 Prozent der Männer und 6,7 Prozent der Frauen zum Glimmstängel greifen. Daraus ergebe sich die Zahl einer Million vermeidbarer Krebserkrankungen.

  • Das DKFZ spricht sich für ein Außenwerbeverbot für Tabakprodukte aus, etwa an Litfaßsäulen und Plakatwänden. „Es konterkariert alle schulische Aufklärung über die Gefahren des Rauchens, wenn die Jugendlichen nach der Schule an den Haltestellen mit Zigarettenwerbung überschüttet werden“, sagte Mons. Deutschland hinke da im europäischen Vergleich hinterher. Allerdings wollte der Bundestag an diesem Freitag erstmals über ein schrittweises Verbot der Plakatwerbung ab 2022 beraten.
  • Erfolgversprechend wäre nach Ansicht Mons auch eine einheitliche unscheinbare Verpackung nur mit dem Hinweis auf die Marke, wie sie Australien erstmals eingeführt habe. Damit werde der Versuch der Unternehmen vereitelt, durch die farbliche Gestaltung der Packung für sich zu werben. Und die Warnhinweise und abschreckenden Bilder kämen dann auch besser zur Geltung. „Marlboro Red und Gauloises Blau sehen dann identisch aus.“ Insbesondere für Jugendliche verliere die Verpackung an Attraktivität.
  • Auch der dritte Schritt – die stufenweise Erhöhung der Steuern – zielt besonders auf die Gruppe der „preissensiblen“ jungen Raucher ab. Vorstellbar seien jährlich zehn Prozent für eine Dauer von zehn Jahren. Mons: „Zehn Prozent mehr Steuern führt in der Regel zu fünf Prozent weniger Absatz.“ Das sei die Erfahrung aus Steuererhöhungen vor 15 Jahren. Seitdem habe es nur Erhöhungen in homöopathischen Dosen gegeben. „Da ist noch viel Luft nach oben“, betonte Mons.

Marketing zunehmend auf Jugendliche gerichtet

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat unterdessen der Tabakindustrie vorgeworfen, sie ziele mit ihrer Marketingtaktik immer stärker auf Jugendliche. Sie wolle die jungen Leute zu Tabakkonsumenten machen, um die acht Millionen Menschen zu ersetzen, die jedes Jahr durch den Gebrauch von Tabakprodukten sterben.

Insgesamt investiere die Industrie jedes Jahr mehr als neun Milliarden Dollar (8,1 Milliarden Euro) in die Tabak-Werbung. Selbst die Corona-Krise habe die Industrie für Werbung genutzt, etwa, indem Firmen umsonst Mund- und Nasenschutz mit ihrem Logo darauf angeboten haben, so die WHO.

„Man lockt junge Leute“

„Die Tabakfirmen setzen immer stärker auf soziale Medien“, sagte Rüdiger Kerch, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wissen auch, dass sie Influencer finanziell unterstützen, damit sie für Tabak werben.“ Auch bei E-Zigaretten hätte die Industrie junge Leute im Visier: „Mit Geschmacksrichtungen wie Vanilleeis und Gummibärchen, da lockt man junge Leute, nicht hartgesottene Raucher“, sagte er.

Weltweit nutzen nach Angaben der WHO etwa zwölf Prozent der Jugendlichen zwischen 13 und 15 Jahren Tabakprodukte, 44 Millionen Menschen. Insgesamt geht die WHO von rund 1,3 Milliarden Tabaknutzern weltweit aus. Mit Tabak sind Zigaretten, Zigarren und ähnliches, aber auch Wasserpfeifen, Schnupf- oder Kautabak gemeint. (dpa)

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