KBV an Koalition

"Öffnung der Kliniken ist eine Fata Morgana"

Keine populistische Wartezeiten-Debatte, sondern eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung: Die KBV bezieht Stellung zum Koalitionsvertrag - und winkt wieder mit dem Sicherstellungsauftrag.

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Bezeichneten die Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung als Fata Morgana: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und seine Stellvertreterin Regina Feldmann.

Bezeichneten die Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung als Fata Morgana: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und seine Stellvertreterin Regina Feldmann.

© David Vogt

BERLIN. Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV-VV) bleibt unter dem neuen Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen, auf dem bisherigen Kurs.

Leitschnur eines am Freitag verabschiedeten Positionspapiers zum Koalitionsvertrag von Union und SPD seien die 2012 verabschiedeten Punkte, die die Ärzte erfüllt sehen wollen, wenn sie weiter die Sicherstellung der ambulanten Versorgung gewährleisten sollen.

Dazu gehören feste und kostendeckende Preise für alle ärztlichen Leistungen, Vorrang der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten vor den Kliniken beim Erbringen ambulanter Leistungen und die Wiederherstellung der diagnostischen und therapeutischen Freiheit aller Vertragsärzte und -psychotherapeuten.

Zwei Tage haben die 60 Delegierten den Koalitionsvertrag diskutiert. Herausgekommen sei keine Position der Totalverweigerung, sondern eine pointierte Meinung. "Wir bieten Alternativen an", sagte Gassen im Anschluss an die Sitzung am Freitag in Berlin.

Als "kontraproduktiv" und als "Fata Morgana" bezeichneten Gassen und seine Stellvertreterin, Regina Feldmann, eine Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung. Die Öffnung sei kein geeignetes Mittel, wenn die Regierung gleichzeitig Anreize zur Niederlassung auch in unterversorgten Gebieten setzen wolle, sagte Gassen.

Positionspapier in den kommenden Tagen

Feldmann warf die Frage auf, woher die Kliniken die Fachärzte für zusätzliche ambulante Aufgaben hernehmen sollten. Die KBV wolle einen Vorschlag für einen sektorenübergreifenden Versorgungsplan in die politische Debatte einspeisen, so Feldmann.

Die von der Koalition geforderte Verkürzung der Wartezeiten auf Facharzttermine auf unter vier Wochen bezeichnete Gassen als populistisch. Sie sei außerdem nicht vereinbar mit der im Koalitionsvertrag gleich ebenfalls hervorgehobenen Betonung der ärztlichen und psychotherapeutischen Freiberuflichkeit als unverzichtbares Element der ambulanten Versorgung.

Die Ärzteschaft lehne dieses Vorhaben klar ab und werde eigene Lösungen präsentieren, sagte Gassen. Dazu gehörten auch Vorschläge zur Patientensteuerung, ergänzte Feldmann.

Das lebhaft diskutierte, 20 Seiten starke Positionspapier soll im Laufe der Woche veröffentlicht werden, kündigten die KBV-Sprecher an. Die Verabschiedung zeige, dass die Vertreterversammlung "handlungsfähig" sei, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Vertreterversammlung, Dr. Stefan Windau.

Neu im Führungstrio der KBV-VV ist Dr. Dieter Haack, Chirurg aus Stuttgart, der nun die frühere Position des an die KBV-Spitze gerückten Gassen einnimmt. (af/mh)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein riskantes Spiel

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 24.03.201415:33 Uhr

Was lange währt, ...?

Bisher sind die KBV-VV und das neue KBV-Vorstandstandem A. Gassen und R. Feldmann nicht über vollmundige Ankündigungen hinausgekommen. Das im Verborgenen diskutierte, 20 Seiten starke Positionspapier soll dann endlich im Laufe dieser Woche veröffentlicht werden? Bezieht sich jedoch dem Vernehmen nach auf veraltete Forderungen von 2012:
1. Freiheit der Berufsausübung.
2. Feste und kostendeckende Preise für ärztliche bzw. psychotherapeutische Leistungen.
3. Versorgungsfremde Steuerungselemente abschaffen.
4. Selbstverwaltung überprüft Qualität wieder selbst.
5. Weg mit den Regressen.
6. Kollektiv- und Selektivverträge müssen sich auf alle ambulanten Leistungen erstrecken; Rücknahme der institutionellen Öffnung der Krankenhäuser zugunsten persönlicher Ermächtigungen von Krankenhausärzten.
7. Kassenspezifische Gesamtverträge wieder ermöglichen.

Doch der Wind hat sich gedreht: Eine vollkommen ungezügelte Freiheit der ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsausübung kollidiert mit dem flächendeckenden und versorgungsspezifischen Rechtsanspruch auf medizinisch-ärztlich-psychologische Daseinsvorsorge in existenziellen Fragen von Krankheit, Gesundheit und Vorsorge. Wenn Unterschiede in der medizinisch-psychotherapeutischen Versorgung zwischen Duisburg-Ruhrort und dem Kreis Starnberg, zwischen Düsseldorf-Zentrum und Plauen, zwischen Hamburg und dem Kreis Waren an der Müritz, zwischen München und dem Bayrischen Wald derartig eklatant werden, m ü s s e n staatliche Stellen bei V e r s a g e n der Selbstverwaltung und dem drohenden Scheitern des Sicherstellungsauftrags intervenieren: Weil damit existenzielle Grundrechte unserer Verfassung in Frage gestellt werden!

Das sind die Perspektiven, die die KBV-VV und die KBV-Führung einfach nicht wahrhaben und diskutieren wollen. Und was die Punkte 2. bis 7. angeht müssen sich die KBV, die KBV-VV und die Einzel-KVen nur an die eigene Nase fassen: Dass sind alles Punkte, an denen die Funktionäre selbst mittel- oder unmittelbar s e l b s t beteiligt waren: Undurchsichtige Preis- und Honorarverteilungen (EBM 2000 und EBM 2012), intransparente hausarzt- und fachspezifische Regelleistungsvolumina (RLV), einen obskuren Hausarzt-EBM, Regress- und Budgetierungswillkür, unübersichtliche Kassen-spezifische Verträge, konkurrierende Hausarztverträge der KVen, willkürliche Krankenhausermächtigungen und Fehlentwicklungen der Bedarfsplanung sind nur einige Beispiele, dass ärztliche GKV-Funktionäre die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollen oder können.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z. Zt. Mauterndorf/A)

Dr. Helmut Müller 22.03.201419:30 Uhr

Volksverdummung

Volksverdummung betreibt die Politik mit Ihren Plänen der Wartezeitverkürzung für ambulante Facharzttermine. Welche Kliniken sollen denn die ambulante Behandlung nach vierwöchiger Wartezeit übernehmen? Vielleicht diejenigen kleinen Krankenhäuser in der Peripherie, die aufgrund ihrer permanenten Unterfinanzierung ohnehin (politisch gewollt!!) bald schließen werden? Welche Klinikärzte sollen denn diese ambulante Behandlung durchführen? Etwa die zahllosen, hervorragend deutsch sprechenden Ärzte aus den östlichen Staaten? Oder die paar deutschen Chef- und Oberärzte, die den Klinikbetrieb unter persönlichem Maximaleinsatz gerade noch am Laufen halten?
Bei Krankenhäusern sollen die Erlöse künftig "qualitätsgesteuert" sein, nur die Politik muss mit ihren Fehlentscheidungen keinerlei Qualitätskriterien genügen.
Oh Herr, wirf Hirn herab!!

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