Pflege

PPR 2.0 soll Pflege-Untergrenzen ablösen

Kliniklobby, Pflegerat und Gewerkschaft Verdi stellen ihr alternatives Instrument zur Pflegepersonalbemessung vor. Ein Ziel eint die drei ungleichen Partner.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Bettenverlegung in der Klinik: Krankenhauslobby, Pflegerat und Verdi schlagen ein neues Instrument zur Personalausstattung vor.

Bettenverlegung in der Klinik: Krankenhauslobby, Pflegerat und Verdi schlagen ein neues Instrument zur Personalausstattung vor.

© spotmatikphoto / stock.adobe.com

Berlin. Die vom Bundesgesundheitsministerium vorgegebenen Personaluntergrenzen für Pflegekräfte bleiben ungeliebtes Kind der Kliniken. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Deutscher Pflegerat und die Gewerkschaft Verdi haben daher am Dienstag in Berlin ein alternatives Instrument zur Personalausstattung vorgestellt.

Grundlage ist eine aktualisierte Variante der Pflegepersonalregelung (PPR), die bereits Anfang der 1990er Jahre in Kliniken zum Einsatz kam. Die Regelung sei zu einer PPR 2.0 weiterentwickelt worden und könne bereits zum 1. Januar 2021 in den Kliniken Anwendung finden, hieß es.

Bei dem Modell wird in zwei Bereiche unterteilt: allgemeine und spezielle Pflege. Die allgemeine Pflege (A-Bereich) umfasst unter anderem Körperpflege, Ernährung oder Mobilisierung.

Die spezielle Pflege (S-Bereich) berücksichtigt Leistungen, die bei operativen und invasiven Eingriffen, medikamentöser Versorgung sowie Wund- und Heilbehandlung nötig sind.

Pretest soll Praxistauglichkeit gezeigt haben

Patienten sollen täglich in insgesamt vier Leistungsstufen im A- und S-Bereich eingestuft werden. Jede Leistungsstufe ist mit einem Minutenwert hinterlegt.

Zudem gibt es für jeden Patienten einen Grundwert pro Tag und einen Fallwert. Damit sollen nicht unmittelbar mit der jeweiligen Verrichtung stehende Leistungen wie behandlungsbezogene Besprechungen oder die Umsetzung von Expertenstandards abgebildet werden.

Addiert ergibt das einen Zeitwert, der den Pflegepersonalbedarf für einen Patienten abbildet. Ein für alle Patienten eines Krankenhauses „aggregierter Zeitwert“ soll den Gesamtpflegepersonalbedarf für die unmittelbare Patientenversorgung auf allen bettenführenden somatischen Stationen für Erwachsene abbilden.

„Mit der PPR 2.0 ist es gelungen, ein unbürokratisches Personalbemessungsinstrument vorzulegen, dass bedarfsgerechte pflegerische Versorgung im gesamten Krankenhaus abbildet“, sagte DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß.

Ein Pretest in 44 Krankenhäusern habe ergeben, dass das Instrument gut anwendbar sei und Zeitwerte wie auch Einstufungskriterien „plausibel“ erschienen.

Den Untergrenzen fehlt die positive Botschaft: Hier wird nur über Personalausstattung am unteren Ende geredet.

Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)

Die Partner strebten eine rasche Umsetzung an, um die Untergrenzen abzulösen, so Gaß. Letztere führten zu starker Regulierung auf Stationen und zu Leistungseinschränkungen etwa auf Intensivstationen. Zudem fehle den Untergrenzen die positive Botschaft.

„Wir reden hier immer über eine Personalausstattung am untereren Ende. Uns geht es um gute Pflege.“ Allerdings ziehe das alternative Bemessungsinstrument einen „deutlichen“ Mehrbedarf an Personal nach sich.

Pflegerats-Chef Franz Wagner bezifferte den Mehrbedarf auf 40.000 bis 80.000 Fachkräfte. Um ihn zu decken, sei auch an die „stille Reserve“ ausgebildeter Pflegeprofis heranzutreten, die wegen schlechter Arbeitsbedingungen ihren Job an den Nagel gehangen hätten. „Wir sprechen hier über zig Tausende von Menschen.“

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Kommentare
Uwe Hofmann 10.02.202007:34 Uhr

PPR heran nehmen zu wollen, den PflegeAUFWAND zu messen ist in etwa so, als wenn man versucht, eine klare Brühe mit Stäbchen zu essen. Dies galt auch schon für die Entgeltberechnung über DRG und wird hier nun fleißig fortgeführt.
Es spiegelt sich hier in keinster Weise wieder, wie viel AUFWAND der Pflegeempfänger für die Pflege bietet.
Beispielsweise ist eine Mobilisation zu zweit gerade in unserer Zeit zunehmender adipositas per supermagna wesentlich aufwändiger, als es im PPR erfaßt werden kann. Oder ausgiebige atemunterstützende bis atemtherapeutische Maßnahmen bei der Zunahme pulmonaler Infekte. Dementielle Syndrome, undulierende Blutzuckerwerte mit intensivierter Insulintherapie,.... nur um ein paar Beispiele zu nennen.
Das gesamte Konzept müßte in Deutschland neu betrachtet werden.

Meines Erachtens wird der Beruf der Pflege nur dann wieder attraktiver, wenn die immer mehr aufgebrummten pflegefremden Tätigkeiten wieder herausgenommen werden. Stichworte seien hier nur Skill- und Grademix. Aktenablage kann auch eine Bürohilfe verrichten. Putzarbeiten der Reinigungsdienst. Administrative Tätigkeiten ein/e MFA....
So bleibt der Pflege dann auch mehr Zeit für ihre wirklichen Aufgaben: Pflegeplanung, -durchführung, und -Evaluation. Man erinnere sich an den Kreis des Pflegeprozesses.
Hier hat uns die Schweiz wieder einmal einiges voraus: Da wurde bereits in Anfang des 21. Jahrhunderts gesetzlich vorgeschrieben, eine praktikable Pflegeaufwand-Erfassung zu implementieren: PPR (prospektiv) oder LEP (retrospektiv) und siehe da: alleine am Inselspital in Bern generierten sich über Nacht 700 zusätzliche Stellen (für 1.000 Betten!)
Aber diese Zahlen will man ja gar nicht haben - weshalb auch von Regierungsseite alles getan wird, so eine Erfassung zu verhindern. Qualität ist halt nicht mehr gefragt. Billig-Lohn für schlecht ausgebildete Arbeitskräfte. Das ist die Devise. Schließlich soll der mündige Bürger zwar fleißig in die Rentenkasse einzahlen - aber rechtzeitig versterben, damit er keine Rente bekommt.

Frankowsky 15.01.202006:58 Uhr

..und wieder ein neues Tool. Endlich. Wie schön, eine Minutentaktung als Maßstab. Die wieder von neuen Bürokraten im Wasserkopf ermittelt und überwacht wird. Jene, die dann den Pflegerinnen und Pflegern vorrechnen das genug Personal vorhanden sei. Und man müsse an die stillen Reserven ran. Oha. Ach wie schön muss es doch sein bei Kaffee und Kuchen in einer Kommission neue Dinge zu bereden. Wieviele der betroffene Pflegerinnen und Pfleger saßen mit am Tisch? Muss eigentlich jeden Monat eine neue Sau durchs Dorf gejagt werden? Solange es besser bezahlt wird eine Akte von A nach B zu schieben bei einem Nine to Five Job, als Patienten von Station A zum OP bei einem 24/7 Beruf, wird noch viel Kaffee am Schreibtisch getrunken werden bevor sich etwas aendert.

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