Hamburger Krankenhaustag

Personalvorgaben setzen nicht bei der Problemursache an

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HAMBURG. Personalvorgaben für Krankenhäuser lösen keine Probleme, sondern schaffen neue: Diese Position vertraten Klinikchefs auf dem jüngsten Hamburger Krankenhaustag. Über die Höhe des Personaleinsatzes und die jeweilige Qualifikation könnten sinnvoll und wirtschaftlich nur die Klinikleitungen entscheiden – und zwar autonom, wie die Klinikvertreter in Hamburg forderten. Damit reagierten sie auf Maßnahmen des Bundestags, der sich auf entsprechende Vorgaben für das Klinikpersonal verständigt hat.

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) verwies darauf, dass die Kliniken auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel bereits durch Förderung neuer Berufsbilder, neue Arbeitsprozesse und Arbeitsmodelle im Qualifikationsmix reagieren. Obligatorische Personaluntergrenzen, fürchtet der Verband, machen diese Anstrengungen zunichte und nehmen überdies Entscheidungsspielräume.

Der HKG-Vorsitzende Werner Koch erwartet sogar, dass eine verordnete Personaluntergrenze "in den Kollaps" führen könnte, weil Kliniken bei Personalmangel die Behandlung verweigert werden soll. Er fordert, die Ursache des Personalmangels – nach seiner Auffassung die Unterfinanzierung – anzugehen. Die Politik müsse für eine abgesicherte und tarifgerechte Finanzierung der Personalkosten sorgen und zusätzliche Förderprogramme zur Gewinnung weiterer Beschäftigter auflegen. Auch bei Mengenbegrenzungen und Vergütungsabschlägen sehen die Hamburger Kliniken sich durch einen "kleinteiligen Regulierungswillen" der Politik behindert. "Das ist widersinnig und weder im Sinne der Krankenhäuser noch der Patienten", sagte Koch.(di)

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Elske Mueller-Rawlins 21.06.201711:55 Uhr

Personalvorgaben verschärfen nicht den Fachkräftemangel

Ursachenbekämpfung ist immer der richtige Weg, da sie den Problemen auf den Grund geht. Die Gründe liegen jedoch nicht allein in der Finanzierung, sondern auch darin, dass Klinikchefs und die Kranken-hausgesellschaften auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel nicht optimal reagieren.
Die „Förderung neuer Berufsbilder, neuer Arbeitsprozesse und Ar-beitsmodelle im Qualifikationsmix“, führt nicht zum gewünschten Ziel.
Zielführender wäre es, die vorhandenen Berufsbilder, wie z.B. die MTA-Berufe etc., zu nutzen und sie entsprechend ihrer Kernkompetenzen einzusetzen und sie nicht durch minderqualifizierte, günstigere Gesundheitsberufe zu ersetzen, da dies weder der Patientensicherheit noch der Qualitätssicherung dient und zur Arztbelastung anstelle von Arztentlastung führt.
Die Klinikchefs wie die Hamburger Krankenhausgesellschaft sollten vielmehr auf die Politik einwirken, dass Ausbildungskapazitäten für vom Fachkräftemangel betroffenen Berufe, wie z.B. die MTA-Berufe, geschaffen werden und sich für die Attraktivität der Ausbildung, z.B. durch Abschaffung des Schulgeldes, eine Ausbildungsfinanzierung, für eine Ausbildung in Teilzeit und eine verkürzte Ausbildung für Abiturienten und fachlich geeignete Quereinsteiger, einsetzen. Dass dies geht, zeigt das Beispiel in Schleswig-Holstein, wo nun auf den Druck vieler Krankenhäuser und Labore hin, die Landesregierung eine neue MTLA-Schule in Neumünster eröffnet und die Ausbildungsfinanzierung durch Arbeitgeber attraktiv gemacht wird. Zudem setzen die Arbeitgeber in Schleswig-Holstein ein Zeichen, indem sie MTLA und nicht minderqualifizierte Gesundheitsberufe, für die den MTLA vorbehaltenen Tätigkeiten einsetzen. Nur so kann dem Patientenwohl Genüge getan werden. Dies sollte der Fokus sein.
Zudem muss die Berufsausübung attraktiv sein. Hohe Arbeitsverdichtung, zu wenig Personal, hoher Krankheitsstand etc. zeichnen derzeit die Arbeitsrealität aus. Hier sind die Klinikchefs und die Krankenhaus-gesellschaften gefragt, dem mit einer geeigneten Organisation zu be-gegnen und mehr die Work-Life-Balance als vorrangig den Klinik – und Eigenprofit im Auge zu haben.
Gesetzliche Personalvorgaben für Krankenhäuser bekämpfen sicherlich nicht alle Ursachen, führen aber durch die Verbindlichkeit dazu, dass überhaupt etwas getan wird, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Fachkräftemangel zu minimieren.

i.V. E. Müller-Rawlins
Syndikusrechtsanwältin und Vorstandsreferentin DVTA e.V.

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