Altenpflege

Pflege-Privatanbieter: Ohne unser Kapital geht es nicht!

Die öffentliche Hand allein kann steigende Finanzbedarfe in der Pflege nicht bedienen, betonen private Anbieter – und sehen sich als unverzichtbares Standbein in der Versorgung.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:

Berlin. Weil Deutschland immer mehr graue Haare bekommt, wächst auch der Bedarf an Pflege. Schon heute beziehen gut 4,2 Millionen Bundesbürger Leistungen aus dem Topf der Pflegeversicherung – und die Kurve zeigt steil nach oben. Damit wächst auch der Pflegemarkt stetig.

Das Marktvolumen schätzen Analysten derzeit vorsichtig auf mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr. Schenkt man Prognosen der Unternehmensberatung Roland Berger Glauben, könnten es 2030 bereits bis zu 85 Milliarden Euro sein. Und weil der Kuchen größer wird, tummeln sich auch private Investoren drum herum.

Der Kuchen wird stetig größer

Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte 2018 für Aussehen gesorgt, als er Bedenken gegenüber Private-Equity-Fonds in der Pflege äußerte. Gewinne im zweistelligen Bereich für Finanzinvestoren deckten sich nicht mit der Idee einer sozialen Pflegeversicherung, hatte Spahn erklärt – es dabei aber auch bewenden lassen.

Zuletzt ist die Debatte um privates Kapital in Gesundheit und Pflege wieder aufgeflammt – wohl auch mit Blick auf die laufenden Koalitionsgespräche von SPD, Grünen und FDP. Nicht wenige setzen wohl darauf, dass die „Ampel“ der Ökonomisierung im Gesundheits- und Pflegebereich einen sanften Riegel vorschiebt.

Zunehmend würden Heime in großem Stil aufgekauft, zu Ketten zusammengeschweißt und zu renditeträchtigen Anlageobjekt entwickelt. Die Situation Pflegebedürftiger und Pflegebeschäftigter spiele keine Rolle. „Allein der Profit zählt“, kritisierte jüngst der Vorstandschef der Diakonie Baden, Urs Keller. Auch der Deutsche Ärztetag 2021 hatte sich mit Kritik an fachfremdem Kapital in der Gesundheitsbranche zu Wort gemeldet.

„Gute und schlechte Heime“

Bernd Meurer, Präsident des Verbands bpa.

Bernd Meurer, Präsident des Verbands bpa.

© Jürgen Henkelmann

Die Privaten sehen sich derweil zu Unrecht an den Pranger gestellt. Sie wittern hinter der Diskussion um „Big Business“ in der Pflege mehr Klischee denn Fakten. „Diese großen Betreiber in der Pflege, auf die sich die immer wieder vorgetragene Kritik bezieht, sind sowohl bei der Wohlfahrt als auch bei den privaten Trägern zu finden“, sagt der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer.

Etwa 40 Prozent der größten Anbieter seien Wohlfahrtsverbände, so Meurer. Sowohl gemeinnützige wie auch private Anbieter nähmen Immobilieninvestitionen in Anspruch, die bei einem wachsenden Markt eine sichere Anlageform darstellten. „Die Debatte über die Trägerschaft von Pflegeeinrichtungen bringt uns nicht weiter“, betont Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP). „Wir sollten nicht zwischen privaten und öffentlichen Pflegeheimen unterscheiden, sondern zwischen guten und schlechten.“

Private Pflegeheime stellten ein „unverzichtbares Standbein“ dar, sagt Greiner – und verweist auf aktuelle Marktanteile: 43 Prozent der Einrichtungen würden von privaten Trägern gehalten. „Es ist fahrlässig, ständig gegen dieses Standbein zu treten, weil man die wirklichen Probleme nicht ansprechen will.“ Und die beträfen Qualität und Finanzierung von Pflege.

bpa-Chef Meurer gesteht zu, dass „große private Anbieter“ mittlerweile „eine wichtige Rolle“ spielten. Allerdings machten sie nur einen kleinen Teil der Mitglieder des bpa aus. Die Mehrheit der privaten Pflegeunternehmen seien als Pflegedienst mit durchschnittlich 53 Kunden oder als Pflegeheim mit im Schnitt 67 Plätzen auf dem Markt vertreten.

Seit Einführung der Pflegeversicherung vor gut 25 Jahren stemmten mittelständische Pflegeheim- oder Pflegedienstbetreiber „auf eigenes Risiko“ Investitionen in die Branche, so Meurer. „Nur so konnten wir den mit der steigenden Zahl von Pflegebedürftigen wachsenden Versorgungsbedarf decken.“ Bis zum Jahr 2040 würden weitere Investitionen in Pflege von über 100 Milliarden Euro benötigt – allein im stationären Bereich.

Irrweg Staatswirtschaft?

Thomas Greiner, Chef des Arbeitgeberverbands Pflege.

Thomas Greiner, Chef des Arbeitgeberverbands Pflege.

© Clemens Hartmann

Hinzu kämen Finanzbedarfe bei Pflegediensten, Tagespflegen und Angeboten zu neuen Wohnformen. Ohne privates Kapital könne das alles nicht gedeihen, sagt Meurer. „Wer denkt, Staatswirtschaft könne das leisten, der ist auf dem Irrweg.“

„Die Stimmungslage schreit nach mehr Investitionen, diskreditiert aber die Investoren“, macht auch Greiner eine gewisse Zwiespältigkeit in der Debatte aus. Die „Ampel“-Parteien sollten in ihren Koalitionsgesprächen daher „bedenken, dass wie in der Krankenversicherung mehrere Standbeine die stabilste Lösung für eine hochwertige Versorgung in der Pflege sind“. (Mit Material von dpa)

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