Priorisierung - nichts für die Selbstverwaltung
Der Berliner Ärztekammerpräsident fordert eine Institution, die die Ressourcen im Gesundheitswesen auslotet.
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Wie viel Therapie ist auf Dauer bezahlbar und wer soll darüber entscheiden? Ein strittiges Thema.
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BERLIN (ami). Politiker müssen sich einer Debatte über Priorisierung und Ressourcenallokation stellen, um Rationierung zu vermeiden. Das forderte der Berliner Ärztekammerpräsident Dr. Günther Jonitz beim Deutschen Krebskongress (DKG) am Donnerstag in Berlin.
Durch Budgetierung und Mengenbegrenzung stünden Ärzte oft vor dem Dilemma der weichen Rationierung, so Jonitz. "Weiche Rationierung ist an vielen Stellen Alltag. Sie muss vermieden werden", sagte er.
Jonitz forderte, dass eine Institution geschaffen wird, "die Ressourcen allokalisiert. Eine solche Einrichtung brauchen wir und sie braucht eine ordnungspolitische Legitimation. Sie kann nicht nur auf Selbstverwaltungsebene angesiedelt sein", sagte der Kammerpräsident.
Erfreut zeigte sich Jonitz, dass der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann in der Veranstaltung beim Deutschen Krebskongress erklärt hatte, er wolle Verantwortung für das Thema Priorisierung übernehmen.
"Angst vor dem Thema Priorisierung hat nur derjenige, der es nicht verstanden hat", so Jonitz. Zurückhaltender fällt das Urteil von Professor Werner Hohenberger, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft aus.
Qualität verbessern und so Mittel freisetzen
"Wir haben noch erhebliche Einsparpotenziale", sagte Hohenberger der "Ärzte Zeitung". Durch Qualitätsverbesserungen lassen sich nach seiner Auffassung noch viele Mittel freisetzen. Eine Priorisierungsdebatte hält er jedoch vor dem Hintergrund für nötig, dass Rationierung im Gesundheitswesen möglicherweise droht.
"Aktuell haben wir noch keine Rationierung", so die Einschätzung des DKG-Präsidenten. Er verwies auf die Schwierigkeiten, Kriterien für Priorisierung aufzustellen. Bislang gebe es nur weiche Kriterien.
Harte Kriterien, wie sie etwa das englische NICE-Institut mit den QALYs (Quality Adjusted Life Years) vorlegt, lehnt Hohenberger ab. Er plädierte dafür, nicht das Verhältnis von Kosten und Nutzen, sondern das Verhältnis von Maßnahme und Nutzen in den Mittelpunkt zu stellen.
Priorisierung ist auch bei der Forschungsförderung der Deutschen Krebshilfe (DKH) gefragt. Dort gehen regelmäßig mehr Förderanträge ein, als bewilligt werden können.
"Die Ablehnungsquote ist inzwischen sehr hoch geworden", berichtete Professor Reinhard Büttner, der einen Forschungsfachausschuss der Krebshilfe leitet. Oberstes Kriterium für die Förderentscheidungen ist laut Büttner gute Wissenschaftlichkeit.