Psychisch Kranke im Daten-Nirwana

Die Kosten durch psychisch bedingte Erkrankungen steigen kontinuierlich, doch valide Zahlen über Prävalenz und Inzidenz fehlen.

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Daten über psychische Erkrankungen sind rar und oft nicht verlässlich. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung, eine neue Studie soll Licht ins Dunkel bringen.

Daten über psychische Erkrankungen sind rar und oft nicht verlässlich. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung, eine neue Studie soll Licht ins Dunkel bringen.

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BERLIN (fst/sun). Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, ob und wie sich die Zahl psychischer Erkrankungen in den vergangenen zehn Jahren verändert hat: Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion die Einschätzung der Bundespsychotherapeutenkammer.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Folgen psychischer Erkrankungen ist enorm: Die indirekten Kosten durch Arbeitsunfähigkeit in Folge einer psychischen Erkrankung werden jährlich auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Anteil der Frühverrentungen aufgrund dieser Erkrankungen ist von 21,8 (1998) auf 35,6 Prozent (2008) gestiegen.

Eine bessere Datenbasis ist erst mittelfristig in Sicht: Das RKI hat Ende 2008 mit einer neuen Studie zur Gesundheit Erwachsener gestartet, deren Datenerhebung noch bis Oktober 2011 andauert. Dabei soll auch ermittelt werden, in welchem Umfang Menschen Leistungen aufgrund psychischer Erkrankungen in Anspruch nehmen.

Aus Sicht der Grünen-Fraktion ist das zu wenig, sie bemängelt fehlende politische Initiativen der Regierung. Dagegen fordert Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Patientenrechte und Prävention bei den Grünen, die Psychiatriepolitik "grundlegend zu überdenken". Nötig seien mehr ambulante Angebote, "eine Stärkung der ambulanten Krisenbewältigung sowie bessere Angebote zur integrierten Versorgung", so Klein-Schmeink.

Professor Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, beklagt ein Missverhältnis: "Der Versorgungsbedarf steigt, die Kosten für Psychopharmaka schießen in die Höhe. Doch das psychotherapeutische Versorgungsangebot muss wegen der Restriktionen der Bedarfsplanung stagnieren", sagt Richter der "Ärzte Zeitung". Er fordert, die Bedarfsplanung müsse sich am aktuellen Versorgungsbedarf und nicht am historischen Niederlassungsverhalten orientieren.

Ein weiteres Manko sind die geringen Aufwendungen für Versorgungsforschung: Das Bundesgesundheitsministerium hat mit Blick auf psychische Erkrankungen in zehn Jahren 34,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, das Forschungsministerium 1,1 Millionen.

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Kommentare
Rüdiger Saßmannshausen 20.08.201014:52 Uhr

Fehlallokation

"Professor Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, beklagt ein Missverhältnis: "Der Versorgungsbedarf steigt, die Kosten für Psychopharmaka schießen in die Höhe. Doch das psychotherapeutische Versorgungsangebot muss wegen der Restriktionen der Bedarfsplanung stagnieren", sagt Richter der "Ärzte Zeitung". Er fordert, die Bedarfsplanung müsse sich am aktuellen Versorgungsbedarf und nicht am historischen Niederlassungsverhalten orientieren."

Lieber Herr Richter,
wie erklären Sie, dass ein Viertel der Betroffenen mit Dreiviertel der zur Vefügung stehenden finanziellen Ressourcen in der Gesundheitsversorgung und die verbleibenden Dreiviertel mit einem Viertel der Ressourcen vorlieb nehmen müssen? Wie erklären Sie, dass immer mehr psychologische Psychotherapeuten (denn alleine für diese sprechen Sie, nicht für die ärztlichen, in den Markt drängen, Psychiater und Nervenärzte aber besonders auf dem Land keine Nachfolger mehr finden? Wie erklären Sie, dass für Kriseninterventionen und weitere psyychiatrische Notfälle praktisch nur Hausärzte, Psychiater und Nervenärzte zur Verfügung stehen, psychologische Psychotherapeuten aber keine offene Notfallsprechstunde anbieten und sich mittels langer Wartezeiten vor der Behandlung dringlicher Fälle schützen? Wie erklären Sie, dass selbst nach einer intensiven psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhausbehandlung keine nahtlose Anschlussbehandlung bei psychologischen Psychotherapeuten möglich ist? Wie erklären Sie, dass es keine wirkliche Effizienzkontrolle über teils jahrelange Behandlungsverläufe gibt?

Lieber Herr Richter, ich mag einfach keine cleveren Trittbrettfahrer, die sich nur die Rosinen picken und sich nach außen hin als die Heilsbringer verkaufen.

Rüdiger Saßmannshausen
Psychiater in Westfälisch Sibirien (Bad Berleburg)

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