Qualitätsoffensive mit dem Sezier-Skalpell

Obduktionen verbessern die Qualität der Diagnosen und der Behandlungen, sagt auch die Bundesärztekammer. Eine Reihe von Kliniken will daher die Zahl der Obduktionen künftig in ihren Qualitätsberichten aufführen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Studentinnen sezieren ein Gehirn. Ihre Erkenntnisse können ihnen später bei der Diagnostik helfen.

Studentinnen sezieren ein Gehirn. Ihre Erkenntnisse können ihnen später bei der Diagnostik helfen.

© momentphoto / imago

BERLIN. Obduktionen bergen für Ärzte immer wieder Überraschungen. Die klinische Diagnose und der Obduktionsbefund weichen häufig voneinander ab.

Die Zahl der Fehleinschätzungen lässt sich verringern, je mehr Obduktionen in einem Krankenhaus vorgenommen werden. Davon ist Professor Werner Schlake, der Präsident des Bundes Deutscher Pathologen überzeugt.

Gestützt wird diese Auffassung von der "Görlitzer Studie". Im Krankenhaus Görlitz wurden 1987 nahezu alle Verstorbenen obduziert. Dabei zeigte sich, dass die volle Übereinstimmung zwischen Diagnose und Befund bei lediglich 41 Prozent lag.

Als der Test 2007 wiederholt wurde, deckten sich die Ergebnisse zu immerhin rund 60 Prozent. Die Zahl der völligen Fehleinschätzungen hatte sich auf 18 Prozent halbiert.

"Gehen Sie dahin, wo viel obduziert wird", empfiehlt Schlake daher Patienten, die sich über die Qualität einer Klinik informieren. Er gehört zu der wachsenden Zahl von Medizinern, die vermuten, dass sich die diagnostischen Fähigkeiten der Krankenhausärzte mit der Zahl der Obduktionen entwickelt.

Sein Rat an die Patienten läuft allerdings ins Leere. Angaben zur Obduktionsrate sucht man in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser bislang vergebens. Die Initiative Qualitätsmedizin, der 132 Kliniken aus Deutschland und der Schweiz angehören, will dies nun ändern und die Obduktionsrate in den angeschlossenen Häusern messen lassen. Sie repräsentieren eigenen Angaben zufolge einen stationären Versorgungsanteil von 2,15 Millionen Patienten.

Die Initiative erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zahl der Obduktionen in Deutschland abnimmt. Die Gründe sind nicht ganz klar .

Es gibt keine gesetzliche Regelung dazu, die Obduktionen sind daher kein Teil der Qualitätssicherung. Die Ärzte selbst sind unter Umständen nicht daran interessiert, ihre diagnostische Trefferquote überprüfen zu lassen. Das gilt aber nicht für alle.

Am meisten obduziert werde in kardiologischen Kliniken, sagt Gisela Kempny vom Pathologenverband. Im Wettbewerb sei Reputation ein wichtiger Faktor. Obduktionen brächten für die Spezialisten Aufklärung über die Qualität von OP-Techniken.

Mehr Obduktionen könnten außerdem die Zahl entdeckter Tötungsdelikte erhöhen, aber auch Tatverdächtige entlasten, schätzt Professor Schlake. Jede zweite gerichtlich angeordnete Obduktion ende mit dem Feststellen eines natürlichen Todes unter ungewöhnlichen Umständen.

Lesen Sie dazu auch: Obduktionen führen zu mehr Qualität

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