FDP rügt „Hinhaltetaktik“

Regierung berät über Sterbehilfe

An Expertenrat zur Auslegung des Sterbehilfe-Urteils fehlt es dem Bundesgesundheitsministerium nicht. Der FDP dauern die internen Beratungen viel zu lange.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Eine leere Flasche mit Pentobarbital-Natrium: Der Erwerb einer tödlich wirkenden Arznei für Suizidwillige wird von der zuständigen Behörde nicht genehmigt. Dafür sorgt ein Erlass von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Eine leere Flasche mit Pentobarbital-Natrium: Der Erwerb einer tödlich wirkenden Arznei für Suizidwillige wird von der zuständigen Behörde nicht genehmigt. Dafür sorgt ein Erlass von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

© Patrick Seeger / dpa

Berlin. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben noch keine abschließenden Vorstellungen entwickelt, wie ein „legislatives Schutzkonzept“ zur Suizidhilfe aussehen könnte. Zwar seien insgesamt 52 Stellungnahmen von Verbänden und Institutionen im Bundesgesundheitsministerium eingegangen, ihre Auswertung dauere an, heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag.

Nötig seien „vertiefte Diskussionen im Parlament und auch innerhalb der Bundesregierung“, um die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen. Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Urteil vom 26. Februar dem Gesetzgeber „ein breites Spektrum an Möglichkeiten“ zur Regulierung anheim gestellt – von prozeduralen Sicherungsmechanismen wie etwa Wartefristen für Suizidwillige bis hin zu Verboten „besonders gefahrträchtiger Erscheinungsformen der Suizidhilfe“.

Diskussion im Kabinett bleibt eine Blackbox

Über mögliche Diskussionen innerhalb der Bundesregierung gibt BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss keine Auskunft, da dies den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ betreffe. Dies treffe beispielsweise auf den Meinungsaustausch im Bundeskabinett zu.

Weder hat die Regierung bisher externe Gutachten zur Frage der Ausgestaltung einer Sterbehilfe-Regelung in Auftrag zu geben, noch sei das Einholen weiterer Stellungnahmen geplant. Im Übrigen sei es Sache der Abgeordneten des Bundestags, ob eine Neuregelung im Rahmen von interfraktionellen Gruppenanträgen aufgegriffen wird.

Für Unmut hatte gesorgt, dass Bundesgesundheitsminister Spahn im April fast ausschließlich Verbände und Institutionen um Stellungnahmen gebeten hat, bei denen angenommen werden kann, dass sie eine eher restriktive Auslegung des Gerichtsurteils befürworten. Tatsächlich sind von den 52 Stellungnahmen nach Auskunft von Weiss 30 „initiativ“ eingereicht worden – also ohne vorherige Aufforderung durch Spahn.

Verbot für Kauf einer tödlichen Arznei bleibt bestehen

Keine Veränderung in der Position des Ministers gibt es in Sachen „Nichtanwendungserlass“ an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 2. Mai 2017 geurteilt, in Ausnahmefällen müsse Sterbewilligen der Erwerb eines tödlich wirkenden Medikaments möglich sein. Doch Spahn wies die ihm unterstehende Behörde an, eine solche Erlaubnis nicht zu erteilen.

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in einem weiteren Urteil vom 20. Mai anders als von den Beschwerdeführern erhofft, die Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes durch das BMG nicht als verfassungswidrig verworfen.

FDP: „Ausreden- und Hinhaltetaktik“

Die Regierung zieht sich in der Antwort von Weiss auf den Standpunkt zurück, die Frage, ob das BfArM den Erwerb eines tödlich wirkenden Medikaments zulassen muss, sei nicht Gegenstand des Karlsruher Urteils vom 26. Februar gewesen. Der Ausgang der weiteren Klageverfahren in diesem Kontext „bleibt abzuwarten“. Mehrere der 130 Antragsteller beim BfArM sind zwischenzeitlich gestorben.

Die FDP-Abgeordnete und Medizinrechtlerin Katrin Helling-Plahr wirft der Regierung „Ausreden- und Hinhaltetaktik“ vor. Spahn „biegt sich die Dinge hin, wies es grade passt“, kritisiert die Abgeordnete. Dazu gehöre auch, dass er am Nichtanwendungserlass für das BfArM festhalte, obwohl die Begründung „spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts juristisch nicht mehr haltbar“ sei, so Helling-Plahr. Transparenz und eine offene Debatte seien „das Gebot der Stunde“, fordert sie.

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