Schnelle Hilfe für Ärzte im Südwesten ist nicht in Sicht
Ärzte in Baden-Württemberg lassen mit ihrem Protest gegen die Honorarmisere nicht locker. Über 4000 Niedergelassene und Praxismitarbeiter demonstrierten am Dienstag in Sindelfingen für den Erhalt ihrer Praxen.
Veröffentlicht:STUTTGART. "Willkommen im Land der Honorarverlierer", begrüßte Dr. Bärbel Grasshoff, Sprecherin der Facharztverbände, die Demonstranten. Aufgerufen zum Protesttag hatten Hausärzteverband, Medi-Verbund und Facharztverbände. Bis zu 8000 Praxen im Land wollten am Dienstag ihre Tore schließen, teilten die Verbände mit.
135 Millionen Euro, so Grasshoff, würden als Folge von Gesundheitsfonds und Honorarreform aus Baden-Württemberg in andere Bundesländer abfließen. Diese Situation, warnte Hausärzteverbandschef Dr. Berthold Dietsche, werde auch 2010 fortbestehen. Denn der Erweiterte Bewertungsausschuss hat es Anfang September abgelehnt, Sonderregelungen für Baden-Württemberg zu treffen (wir berichteten). Noch im Frühjahr hätten die Kassen erklärt, die Honorarverluste im Südwesten seien ein "Betriebsunfall" und es werde nachgebessert - davon könne nun keine Rede mehr sein, beklagte Dietsche.
Schnelle Linderung der Honorarnöte können die Ärzte von der Landesregierung nicht erwarten. Das machte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) in Sindelfingen klar. Im Frühjahr hatte Oettinger den Ärzten einen "Nachschlag" von bis zu 140 Millionen Euro in Aussicht gestellt, um befürchtete Verluste auszugleichen. Jetzt verlangte der Ministerpräsident, erst müssten zuverlässige Zahlen zur Honorarentwicklung 2009 vorliegen. Die bisherigen Zahlen für das erste Halbjahr reichten von minus bis plus fünf Prozent, beklagte Oettinger.
Nur wenn Ärzte in Baden-Württemberg tatsächlich Honorarverluste erlitten haben, gelte "die Zusage der Bundeskanzlerin, für die ich auch stehe: dass nämlich Ärzte in keinem Bundesland weniger in diesem Jahr erhalten sollen als 2008", sagte Oettinger. Er nannte den AOK-Hausarztvertrag "richtungsweisend" und forderte, die Paragrafen 73b und c SGB V müssten erhalten bleiben. Oettinger kündigte an, für mehr regionalen Gestaltungsspielraum in der GKV kämpfen zu wollen.
Unterdessen wollen Medi-Verbund und Facharztverbände aktiv in den Bundestagswahlkampf eingreifen. Für die Facharztverbände rief Dr. Bärbel Grashoff ihre Kollegen, auf ihre Einflussmöglichkeiten im Wartezimmer zu nutzen. Sie warb für eine Unterstützung von Union und FDP. "Bei Rot-Rot-Grün oder Rot-Rot würde es für uns noch viel schlimmer werden", so Grasshoff. Unterstützung erntete sie bei Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner: "Patienten sollen wissen, was ihre Ärzte für richtig halten.
" Für den Hausärzteverband gab Berthold Dietsche in diesem Punkt eine andere Richtung vor: "Wir geben keine Wahlempfehlung." Stattdessen informiere man die Kollegen in Flyern und im Internet über zentrale gesundheitspolitische Wahlaussagen der Parteien.