Erste Regierungserklärung

Scholz zeichnet kein klares Bild einer Pandemie-Strategie

Die erste Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) blieb blass. Kein Wort über den drohenden Mangel an COVID-19-Impfstoffen. Die Opposition zeigt sich mit Ansage gespalten.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab am Mittwoch, den 15. Dezember, im Bundestag seine erste Regierungserklärung ab.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab am Mittwoch, den 15. Dezember, im Bundestag seine erste Regierungserklärung ab.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwochmorgen seine erste Regierungserklärung abgegeben. Darin ging er nicht auf die aktuellen Nachrichten über einen drohenden Mangel an Impfstoff zu Beginn nächsten Jahres ein.

Das Ziel, bis zum Jahresende „30 Millionen Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen in die Oberarme“ zu bekommen, sei noch zu schaffen, wenn alle mitmachten, sagte Scholz stattdessen. Rund 19 Millionen Corona-Impfungen seien seit dem Stichtag bereits gesetzt. Als fiktiver Startpunkt des Zwischensprints gilt der 18. November.

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Im Kampf gegen die Pandemie sei am wichtigsten, dass sich jeder impfen lassen könne und solle, sagte Scholz. Um möglichst viele Gelegenheiten zu bieten, werde die Zahl der Impfzentren und Mobilen Impfzentren wieder ausgeweitet, Apotheker und Zahnärzte würden in die Impfkampagne einbezogen, sagte Scholz. Dies sind Punkte aus dem am Freitag beschlossenen Impfpräventionsgesetz, mit dem das Infektionsschutzgesetz geändert wird.

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Scholz bleibt kleinteilig und detailverliebt

Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass jeder Erwachsene in Deutschland heute schon zweimal geimpft und geboostert sein könnte, sagte Scholz mit Blick auf „Wahrheitsverweigerer und Corona-Leugner“. Scholz zeichnete die vorausliegende Politik der Ampel-Koalition nicht mit kühnem Schwung, sondern zählte eher kleinteilig die im Koalitionsvertrag zusammengefassten Vorhaben auf.

Genau an dieser Stelle schaltete der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion CDU/CSU, Ralph Brinkhaus (CDU), auf Attacke. Vom Kanzler hätte er erwartet, dass er Position beziehe, sagte Brinkhaus. Scholz hätte zum Beispiel eine allgemeine Impfpflicht zur Regierungssache machen müssen, anstatt dieses Projekt den Fraktionen im Bundestag zu überlassen. Aktuell sei das Wichtigste, aus der Corona-Pandemie herauszukommen. Dafür sei „schnelles und beherztes Handeln“ nötig.

Brinkhaus: „Keine Koalition der Opposition“

Brinkhaus schloss eine Koalition der Oppositionsparteien aus. „Die CDU wird nicht mit der Linken und der AfD zusammenarbeiten“, sagte Brinkhaus und warf diesen Parteien Distanz zur Demokratie vor. Brinkhaus betonte den Willen zur „gestaltenden Opposition“: „Wir werden die Regierung zu Debatten zwingen.“

Es sei richtig und wichtig, dass man die Debatten über Corona wieder an den Ort zurückgebracht habe, wo sie hingehörten, nämlich in den Bundestag, verteidigte Katharina Dröge für Bündnis90/Die Grünen die Nichtverlängerung der epidemischen Lage nationaler Tragweite und damit auch der weitreichenden Verordnungsbefugnisse des Gesundheitsministers. Das Parlament habe gezeigt, dass es schnell und verantwortungsvoll handeln könne.

Dröge: Stehen vor dem Jahrzehnt der Prävention

Jetzt stehe an, viele Menschen dabei zu unterstützen, dass sie sich so schnell wie möglich impfen lassen. „Wir haben es bislang alle gemeinsam nicht geschafft, Millionen von Menschen vom Impfen zu überzeugen“, so Dröge. Impfen sei der beste und einfachste Weg raus aus der Krise.

Es sei nicht gelungen, Menschen von Prävention zu überzeugen Sie forderte die Opposition daher dazu auf, beim Thema Gesundheitsprävention konstruktiv mitzuarbeiten. „Wir stehen am Beginn eines Jahrzehnts, das entscheidend sein wird für die Prävention“, sagte Dröge.

Von der aktuell erfolgreichsten Impfkampagne der Europäischen Union sprach FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr. Es werde in diesen Tagen so viel geimpft wie noch nie seit Beginn der Pandemie. „Die Impfbereitschaft der Menschen in Deutschland ist da“, meinte Dürr.

Er sei Gesundheitsminister Lauterbach dafür dankbar, dass er sich explizit darum kümmern werde, dass dies nicht abreiße. „Es darf nicht passieren, dass die Impfstoffbeschaffung jetzt nicht eingehalten werden kann“, so Dürr weiter.

Linke fordert Paradigmenwechsel

Für die Fraktion Die Linke forderte deren Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen. Die Logik, dass sich alles im Gesundheitswesen rechnen müsse, sei pervers. Der aktuelle Gesundheitsminister habe zu diesem Zustand als damaliger Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) beigetragen. „Im Gesundheitssystem darf es nur um eines gehen: um Gesundheit.“

Die Fraktionsvorsitzende der AfD, Dr. Alice Weidel, sprach von einem „lärmenden Fehlstart“ einer Koalition aus „linksgrünen Betonköpfen und umgefallenen Liberalen“. Den Einstieg in die Impfpflicht nannte Weidel „Wählerbetrug“. Hintergrund sei, dass Scholz an der Verfassung vorbei einen „unerklärten, permanenten Ausnahmezustand“ etabliere.

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