Pro und Contra

Sollen Ärzte beim Suizid assistieren dürfen?

Ein umstrittener Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium hat in den vergangenen Wochen eine heftige Debatte entfacht. Soll Ärzten die Beihilfe zum Freitod erlaubt werden? Pro und Contra: Allgemeinarzt Dr. Anton Wohlfart und der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Frank Ulrich Montgomery erläutern ihre Positionen.

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Dr. Anton Wohlfart und Dr. Frank Ulrich Montgomery liefern Pro- und Contra-Argumente in der Debatte um ärztlich assistierten Suizid. ©: Wolfart: privat; Montgomery: BÄK

Dr. Anton Wohlfart und Dr. Frank Ulrich Montgomery liefern Pro- und Contra-Argumente in der Debatte um ärztlich assistierten Suizid. ©: Wolfart: privat; Montgomery: BÄK

© : Wolfart: privat; Montgomery: BÄK

BERLIN/NEU-ISENBURG (fuh). Die Diskussion um die Freigabe des ärztlich assistierten Suizids reißt nicht ab. Auch in der Ärzteschaft regt sich Widerspruch gegen die klar ablehnende Position der Bundesärztekammer.

In einer von der "Ärzte Zeitung" initiierten Pro- und Contra-Debatte stellt der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Frank Ulrich Montgomery noch einmal klar, dass die BÄK die Gesetzespläne der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt, nach denen die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt werden soll. "Wenn das Justizministerium aber damit die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen will, dann lehnen wir das ab", so Montgomery weiter.

Für die rechtliche Freigabe des ärztlich begleiteten Suizids spricht sich hingegen der Allgemeinarzt Dr. Anton Wohlfart aus dem bayerischen Ehekirchen aus. "Warum soll grundsätzlich das unfreiwillige, das sogenannte natürliche, das langsame und fremdbestimmte Sterben besser und moralischer sein als der freiwillige, selbstbestimmte, schnelle Tod?", fragt er. Beim ärztlich assistierten Suizid gehe es um sehr seltene und sehr schwierige Entscheidungen in Einzelfällen, so Wohlfart, der Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) ist.

Die DGHS hat unterdessen eine Aktion unter dem Motto "Ärzte sollen helfen dürfen!" gestartet, bei der sich mehrere Ärzte und Prominente wie etwa die Politikerin Ingrid Matthäus-Maier öffentlich für die Gewissensfreiheit bei der ärztlichen Freitodbegleitung ausgesprochen haben.

Pro: Ist langsames Sterben besser als der freiwillige, schnelle Tod?

Dr. Anton Wohlfart, Allgemeinarzt aus Ehekirchen/Bayern

Dr. Anton Wohlfart, Allgemeinarzt aus Ehekirchen/Bayern

© privat

Der Vorgänger von BÄK-Präsident Dr. Montgomery (von Beruf Radiologe), der verstorbene Professor Hoppe (Pathologe), hat seinem Nachfolger den Weg zur Rationalität gebahnt in Bezug auf dogmatische Festlegungen über den ärztlich begleiteten Freitod. Hoppe sagte, er persönlich lehne jede Beihilfe zur Selbsttötung ab. "Sie soll aber möglich sein, wenn der Arzt das mit seinem Gewissen vereinbaren kann." Und: "Denn über das Selbstbestimmungsrecht, das unser Grundgesetz garantiert, möchten wir uns ja nicht hinweg setzen." Dr. Montgomery jedoch findet: "Gerade in ethischen Fragen sollte man sich an Mehrheitsentscheidungen halten." - Gewissen hat NICHTS mit Mehrheitsentscheidungen zu tun.

Es geht hier um die sehr seltenen und sehr schwierigen Entscheidungen in Einzelfällen: Ich habe in meiner 36-jährigen ärztlichen Arbeit zweimal auf eine wiederholte flehentliche Bitte hin Beistand zu einem selbstbestimmten Tod mit Medikamenten geleistet, einem sicheren, schmerzfreien, ästhetischen und würdevollen Sterben: Einmal 1978 bei einem Patienten mit metastasierendem Lungenkrebs im Endstadium, einmal gut 30 Jahre später bei einer Patientin mit einer fortschreitenden schweren Nervenkrankheit mit zunehmenden Schluckstörungen. Sie hat sich nicht mehr getraut, etwas zu essen, und hatte Angst, dass sie einmal nachts an ihrem eigenen Speichel erstickt. ine weitere Patientin (eine pensionierte, allein lebende Lehrerin mit Schilddrüsenkrebs und zunehmenden Atembeschwerden) hat dann vor etwa zwei Jahren eine Lösung ohne meine Hilfe gefunden. Ich konnte mich wegen der ziemlich weiten örtlichen Entfernung und ihres Verlangens, ich müsse nach der Tabletten-Einnahme dableiben, bis sie tot sei, nicht so schnell entscheiden, wie sie es wollte.

Zur Zeit regt sich Montgomery über den Entwurf des Justizministeriums zum Thema "Beihilfe zum Freitod" auf. Das Problem hat er selbst mit verursacht. So verbietet die 2011 vom Ärztetag verabschiedete Musterberufsordnung strikt die Beihilfe zum Freitod. Die meisten Landesärztekammern haben diesen anmaßenden Paragraphen so nicht übernommen. Meine Frage: Warum soll grundsätzlich das unfreiwillige, das sogenannte "natürliche", das langsame und fremdbestimmte Sterben besser oder moralischer sein als der freiwillige, selbstbestimmte, schnelle Tod?

Contra: Als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung

Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

© BÄK

Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Das ist unser ethisches Bekenntnis in den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung.

Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten, das hat auch der 114. Deutsche Ärztetag 2011 in Kiel klar gestellt. "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Das ist in der Muster-Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland klar geregelt und findet sich entsprechend auch in den Berufsordnungen der Ärztekammern wieder.

Die zunehmende Kommerzialisierung der Sterbehilfe lässt allerdings befürchten, dass sich verzweifelte Menschen immer häufiger für einen organisierten Suizid entscheiden. Gewerbliche oder organisierte Sterbehilfe aber ermöglicht kein Sterben in Würde; stattdessen verbaut sie den Weg für eine adäquate Behandlung. Menschen mit existenziellen psychischen und physischen Leiden benötigen ärztliche und pflegerische Hilfe sowie menschliche Zuwendung. Palliativmedizin vermag dies zu leisten, gewerbliche oder organisierte Sterbehilfe dagegen nicht. Die Gesetzespläne der Bundesregierung, die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen, begrüßen wir daher ausdrücklich. Wenn das Justizministerium aber damit die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen will, dann lehnen wir das strikt ab.

Unsere Position ist klar, als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung. Wir fordern, jede Form der gewerblichen oder organisierten Sterbehilfe in Deutschland zu verbieten.

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