Stehen Pflegekammern vor dem Durchbruch?

An diesem Donnerstag diskutiert der Niedersächsische Landtag auf Antrag der Opposition, ob Pflegende im Land eine Berufskammer bekommen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Pflegende erhalten immer mehr belastende Aufgaben, haben aber wenig Mitspracherecht. © imago

Pflegende erhalten immer mehr belastende Aufgaben, haben aber wenig Mitspracherecht. © imago

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HANNOVER. Forderungen nach Einrichtung von Pflegekammern auf der Bundes- und Landesebene sind nicht neu. Seit 1995 kämpft die Nationale Konferenz zur Errichtung von Pflegekammern, ein Zusammenschluss von Befürwortern aus allen Bundesländern, dafür, den rund 1,2 Millionen professionell Pflegenden in Deutschland eine Selbstverwaltung zu ermöglichen.

Nun haben Grüne und SPD in Hannover erstmals reagiert. Gemeinsam wollen sie an diesem Donnerstag im Landtag einen Entschließungsantrag beziehungsweise einen Gesetzentwurf zum Thema Pflegekammer einbringen. Monika Skibicki von der Nationalen Konferenz erklärte dazu: "Die Anträge sind ein Meilenstein. Selbst wenn der Antrag in Hannover nicht durchkommt, wird es eine größere Diskussion geben."

Opposition will eine grundsätzliche Debatte

Niedersachsens Oppositionsparteien wollen in der Tat eine grundsätzliche Debatte: "Niedersachsen steht vor dem Pflegenotstand. Angesichts anhaltender Proteste zahlreicher Pflegedienstleister und -verbände sowie zahlreicher "offener Baustellen" im Pflegebereich sei der Ruf der Pflegenden nach einer angemessenen Organisation zur Wahrnehmung ihrer Interessen verständlich und voll zu unterstützen, sagte Uwe Schwarz, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, der "Ärzte Zeitung". Damit hat die SPD-Fraktion eine Kehrtwende vollzogen. "Wir wollten immer verhindern, dass die Pflegenden aus der solidarischen Rentenversicherung herausgelöst werden", so Schwarz. In der Tat verfügen etwa die Ärztekammern, wie auch andere Kammern, über die Kombination von Zwangsmitgliedschaft und Versorgungswerk. Doch nun favorisiert die SPD eine Pflegekammer ohne Versorgungswerk. Ähnlich argumentieren die Grünen in Niedersachsen, die gleich die Änderung des Kammergesetzes für Heilberufe in den Landtag einbringen.

Die beiden Parteien initiieren, was Pflegeverbände schon lange wollen. Burkhardt Zieger vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) etwa nennt als Hauptargument: höhere Qualität. "Derzeit können wir das hohe Pflegeniveau nicht gewährleisten", sagte Zieger.

Über eine Kammer könnten Qualitätskriterien festgelegt werden "und wir könnten die Qualität berufsständisch überwachen und gegebenenfalls mit Sanktionen belegen." Vorbilder findet Zieger etwa in der Fortbildungsordnung für Pflegeberufe in Bremen. "Unser großes Ziel heißt Selbstverwaltung."

Die Gegner eine Pflegekammer argumentieren vor allem mit der ausufernden Bürokratie, die durch eine neue Kammer hervorgebracht würde. Verdi, die Krankenhausgesellschaft und der Ärzteverband Hartmannbund erklären unisono: Für die Pflegenden ist gesorgt, eine Kammer bringe nur mehr Papier.

Das Problem seien schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung, sagt Bernd Lücke, Chef des Niedersächsischen Hartmannbundes. "Die Nachwuchsprobleme lösen sich vermutlich schon dann, wenn man die Gehälter auf das Niveau von Sparkassenangestellten anheben würde, die bekanntermaßen keine Nacht- und Wochenenddienste machen müssen".

Verdi unterdessen fürchtet um den Einfluss auf allein in Niedersachsen 130 000 Mitglieder. Helmut Fricke, Direktor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft warnte ebenfalls vor der wuchernden Bürokratie und wähnt hinter dem Bemühen um eine Pflegekammer "lediglich das Interesse der Verbände, nicht aber der Pflegenden selbst, wie ich aus vielen Gesprächen weiß." Die Betroffenen würden einen Kammerbeitrag nicht zahlen, so Fricke. Zieger vom DBfK rechnet hier mit rund 0,15 Prozent vom Bruttoeinkommen, im Schnitt mit jährlich 30 Euro.

Verbände verlangen mehr Einfluss für Pflegende

Tatsächlich geht es den Befürwortern einer neuen Kammer auch um mehr Macht. Skibicki beklagt zum Beispiel den "geringen Einfluss der Pflege in den Gremien, in denen über medizinische Leistungen gesprochen wird." Die Pflegenden - etwa im Krankenhaus - erhielten zudem immer mehr Aufgaben zugewiesen, hätten aber kein Mitspracherecht, erklärte Zieger. Das soll sich seiner Meinung nach nun ändern.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Pflegekammer ist kein Selbstzweck

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