Versorgung der Zukunft

Stellschrauben gibt es zuhauf

Mehr ambulante, weniger stationäre Leistungen: So sieht die Zukunft der Gesundheitsversorgung aus, war man sich beim Kongress für Gesundheitsnetzwerker sicher. Der Nachwuchsmangel ist dabei nur eine Herausforderung von vielen.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Professor Peter Dabrock beim 12. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin: Er warnte, die Digitalisierung nur negativ zu sehen.

Professor Peter Dabrock beim 12. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin: Er warnte, die Digitalisierung nur negativ zu sehen.

© Yehuda Swed / Agentur WOK

BERLIN. Der Fokus wird in Zukunft auf der weiteren Ambulantisierung der Versorgung liegen. Dort liegen in Bezug auf die Leistungsausgaben die größten Einsparpotenziale, wie Dominik Graf von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), beim 12. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin berichtete. "Eine intensive ambulante Versorgung reduziert tendenziell die Häufigkeit der stationären Aufenthalte", so Stillfried.

Doch wo bekommt man die Ärzte her, die die ambulante Versorgung der Zukunft stemmen sollen? Förderprogramme, um ärztlichen Nachwuchs zu gewinnen, gibt es mittlerweile zuhauf. Auch das Ärztenetz des "Gesunden Kinzigtals" versucht, mit finanziellen Anreizen junge Mediziner in den Schwarzwald zu ziehen. Seit 2016 gibt es auch ein Programm für Fachärzte.

Finanzielle Anreize reichen nicht

Seit 2009 gab es fünf Teilnehmer an dem Förderprogramm, vier Ärzte haben immerhin Praxen übernommen. Doch, gestand Ingo Meyer vom "Gesunden Kinzigtal" ein: "Die Teilnehmerquote könnte größer sein." Und obwohl die Geförderten nach dem Tarifvertrag für kommunale Kliniken und damit besser als im Programm der KV Baden-Württemberg bezahlt würden, reichten die finanziellen Anreize offenbar noch nicht.

Laut Frieder Rock vom Verein "Freie Berufe im Gesundheitswesen" besetzen nicht nur Kliniken, sondern auch Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) vakante Stellen mit soloselbstständigen Ärzten. Eine "Blitzumfrage" des Vereins unter Häusern mit 80 bis 160 Ärzten habe ergeben, dass diese ihre angestellten Mediziner "regelmäßig und dauerhaft um rund 50 Prozent durch freie Ärzte" ergänzen. Mehr Delegation von Leistungen werden in Zukunft jedoch sicher nötig sein, um Ärzte zu entlasten.

Dazu bietet sich nicht nur der Einsatz nichtärztlicher Praxisassistenten an, sondern auch von Medizinassistenten oder Physician Assistants (PA), die zum Beispiel vorbereitende körperliche Untersuchungen oder vorläufige Anamnesen vornehmen können. Im ambulanten Bereich könnten PA bei Hausbesuchen oder bei der Anwendung von Telemedizin eingesetzt werden, sagte Professor Christian Flügel-Bleienheuft, der an der Praxishochschule Köln und Rheine lehrt.

Datensouveränität im Mittelpunkt

Big Data ist nicht mehr nur Zukunftsmusik, sondern in der Gesundheitsversorgung längst ein großes Thema. Professor Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, warnte dabei, die Digitalisierung nur negativ zu sehen. Dauerprotest gegen die derzeitigen Entwicklungen im IT-Bereich bringe nichts, "man kann sich nicht fundamental gegen eine Gesellschaft stellen, in der die Selbstvermessung und Datensammelei längst zum Alltag gehört", so Dabrock.

Big Data stehe im Gegensatz zur grundgesetzlich geschützten informationellen Selbstbestimmung. Die Grundprinzipien des Datenschutzes dürften nicht aufgegeben werden. Die Datensouveränität des Datengebers müsse durch eine Governance-Strategie in den Mittelpunkt gestellt werden. Akteure in Medizin, Forschung und Verbraucherschutz seien dann als Datentreuhänder zu betrachten, die freilich nicht die Hoheit über die Daten hätten. Eine solche Umsetzung von Datensouveränität werde im Gesundheitsbereich sicher "anfangs zäh" laufen, prophezeite Dabrock.

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