Psychotherapeutische Weiterbildung

Therapeuten warnen: Weiterbildung darf für Praxen keine Kostenfalle sein!

Unter den heutigen Rahmenbedingungen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Psychotherapeuten in Weiterbildung für Praxisinhaber ein Minusgeschäft. Die Therapeuten zeigen einen Ausweg auf.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Wer als Praxischef einen Psychotherapeuten in Weiterbildung sozialversicherungspflichtig einstellen möchte, muss sich das aus rein finanzieller Sicht angesichts der Kostenbelastung zweimal überlegen, wie eine aktuelle Analyse der DPtV nahelegt.

Wer als Praxischef einen Psychotherapeuten in Weiterbildung sozialversicherungspflichtig einstellen möchte, muss sich das aus rein finanzieller Sicht angesichts der Kostenbelastung zweimal überlegen, wie eine aktuelle Analyse der DPtV nahelegt.

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Berlin. Nach Schätzungen der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) bedarf es jährlich etwa 2.500 neuer Fachpsychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, um den Verlust durch die aus dem Beruf ausscheidenden Kollegen auszugleichen. Das Manko: Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Psychotherapeuten in Weiterbildung (PtW) für Praxisinhaber ein absolutes Minusgeschäft. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Erstellt wurde diese laut DPtV von Rechtsanwalt Dr. Markus Plantholz in Zusammenarbeit mit DPtV-Chef Gebhard Hentschel und dessen Vize Barbara Lubisch.

„Rund 2700 Euro braucht eine Psychotherapeutische Praxis monatlich, um eine*n PtW finanzieren zu können. Das haben unsere Berechnungen ergeben“, so Lubisch. In seiner Stellungnahme zeigt der Verband detailliert auf, welche Einbußen einer Praxis entstehen, wenn sie als Weiterbildungsstätte anerkannt wird und eine*n PtW beschäftigt. „Die Einnahmen durch die Arbeit einer PtW decken nicht die Kosten der Weiterbildung. Außerdem darf laut Zulassungsverordnung die Beschäftigung der PtW nicht zu einer nennenswerten Ausweitung des Praxisumfangs führen. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden, um die neue Weiterbildung nicht im Keim zu ersticken“, fordert Lubisch. Am 3. Juli befasste sich bereits der Bundestag mit der Situation in der Psychotherapeutenausbildung, da die vom DPtV gestartete „Petition 148151: Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“ mit mehr als 70.000 weit mehr als die erforderlichen 50.000 Signatoren zu verzeichnen hatte, das erforderliche Quorum somit bei Weitem übertroffen worden war.

Delta könnte sich bis auf knapp 3.000 Euro im Monat belaufen

In seiner Analyse stellt die DPtV detailliert die Mehrumsätze der Psychotherapie-Vergütung den Sach- und Personalkosten sowie den Kosten von Anleitung, Supervision, Theorie und Selbsterfahrung gegenüber. Zur Berechnung der Sach- und Personalkosten seien ausschließlich Daten aus wissenschaftlichen Untersuchungen und den Kostenstrukturerhebungen des Statistischen Bundesamtes verwertet worden. Der Zeitbedarf und die Kosten der Weiterbildung ergäben sich aus den Anforderungen der Muster-Weiterbildungsordnung (M-WBO). Die möglichen Praxis-Mehreinnahmen aus der Arbeit der PtW berücksichtige die aktuelle Rechtsprechung zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen. Dabei sei davon auszugehen, dass PtW bei einer Vollzeitstelle etwa 20 Psychotherapieleistungen pro Woche erbringen können, weil sie in der gleichen Arbeitszeit nicht den gleichen umsatzrelevanten Leistungsumfang erwirtschaften können wie erfahrene Praxisinhaber*innen.

Ein Blick in die aufgelisteten Kostenposten zeigt, dass ein in einer Psychotherapeutenpraxis auszubildender PtW dem Praxischef mit einem kalkulatorischen Mehraufwand von 131.208 Euro pro Jahr zu Buche schlägt, dem aber nur ein Mehrumsatz von 96.220 Euro gegenüberstehe. Dies bedeute ein Defizit bzw. einen finanziellen Ausgleichsbedarf von 34.988 Euro jährlich oder 2.916 Euro monatlich. „Nur unter der Annahme, dass künftig für jede über die 18. Sitzung wöchentlich hinausgehende genehmigungspflichtige Sitzung der hälftige Strukturzuschlag zugesetzt werden kann, ergibt sich ein etwas geringerer Betrag“, heißt es in der Stellungnahme weiter – nämlich 98.978 Euro. Dem kalkulatorischen Mehraufwand von 131.208 Euro stehe dann ein Mehrumsatz von 98.978 Euro gegenüber. Das entspreche dem eingangs erwähnten, zusätzlichen Vergütungsbedarf von 32.230 Euro pro Jahr oder 2.686 Euro – aufgerundet 2.700 Euro – monatlich.

Hoffen auf den Petitionsausschuss

„Es zeichnet sich ab, dass potenzielle Weiterbildungsstätten mit der Umsetzung der Weiterbildung zögern, weil die finanzielle Situation unzureichend geregelt ist“, warnt Lubisch. Und ergänzt: „Dies ist dramatisch: erstens, weil die Absolvent*innen des neuen Studiengangs ohne Weiterbildung ihren Beruf nicht ausüben können und zweitens, weil dann sehr schnell ein Versorgungsmangel entsteht.“ Nun richte sich das Augenmerk der Psychotherapeuten auf den Bundestag. „Eine Entscheidung des Petitionsausschusses ist demnächst zu erwarten“, erläutert Lubisch.

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