Traumatisierte Soldaten - Bundeswehr fehlen Psychiater

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine offene Debatte über traumatisierte Soldaten angekündigt. Das Traumazentrum in Berlin soll zudem ausgebaut werden, die Zahl betroffener Soldaten steigt.

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Bundeswehrsoldat sichert einen Konvoi in Kabul: Ein Teil der Rückkehrer hat psychische Probleme. © dpa

Bundeswehrsoldat sichert einen Konvoi in Kabul: Ein Teil der Rückkehrer hat psychische Probleme. © dpa

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BERLIN (dpa/eb). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die psychische Belastung von Soldaten stärker zum öffentlichen Thema machen. "Wir müssen die Frage der Traumatisierung aus ihrem Schattendasein der öffentlichen Aufmerksamkeit reißen", sagte er nach einem Besuch des Berliner Traumazentrums für Bundeswehrsoldaten. Es müsse eine öffentliche Debatte gewagt werden, die zu einer "Entstigmatisierung beiträgt".

Bei 466 Soldaten wurden nach Bundeswehrangaben im vergangenen Jahr posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) festgestellt - 2008 waren es noch 245 Fälle. 40 bis 60 traumatisierte Soldaten wurden im Berliner Traumazentrum behandelt. Die Dunkelziffer von PTBS-Fällen sei vermutlich höher, sagte der Leiter des Forschungsbereiches im Berliner Bundeswehrkrankenhaus, Winfried Barnett. Häufig sei PTBS auf Auslandseinsätze zurückzuführen, erläuterten Experten der Bundeswehr. Allerdings seien Einsätze in Krisengebieten nicht die einzigen Gründe. PTBS könne auch bei Inlandsdiensten eintreten, etwa wenn Soldaten mit ihren Hubschraubern abstürzen, Opfer eines Raubüberfalls werden oder andere Verletzte und Verwundete sehen.

Etwa die Hälfte der Soldaten kehren nach den Angaben psychisch unbelastet von Auslandseinsätzen zurück. 22 Prozent erholen sich von selbst, Zwölf Prozent der Rückkehrer leiden an den Symptomen wie Schlafstörungen, Alpträumen oder sind gereizt. Bei 16 Prozent könne man das nicht genau wissen, weil sie häufig ihre Probleme im Alltag verdrängten. "Sie sind Weltmeister im Verdrängen, Verharmlosen und Verleugnen", sagte der Leitende Psychologe des Bundeswehr-Sanitätsdienstes, Heinrich Müller.

Oftmals werden die Soldaten erst zu Hause mit Trennungen, Scheidungen und finanzieller Überschuldung konfrontiert. "Sie führen einen Zweifrontenkrieg", sagte Müller. Hinzu kommt, dass PTBS-Patienten durchschnittlich 4,5 Jahre ihre psychische Last mit sich tragen, bevor sie Hilfe suchen.

Im Berliner Traumazentrum sollen sich künftig 45 Mitarbeiter um erkrankte Soldaten kümmern, darunter vier Psychiater und vier Psychologen. In Deutschland gibt es fünf Bundeswehrkrankenhäuser, die traumatisierte Soldaten behandeln. Sie arbeiten dabei mit 65 zivilen Krankenhäusern zusammen. Guttenberg will nicht nur diese Kooperation ausbauen, sondern auch Hilfen für Angehörige oder gar Hinterbliebene anbieten. Geplant ist langfristig, das Traumazentrum zu vergrößern.

Schon heute gibt es viele Service-Angebote für traumatisierte Soldaten, wie eine Traumahotline oder ein Internetportal, wo Betroffene anonym ihre Probleme schildern können. Der Bundeswehr fehle es aber an Psychiatern, konstatiert der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Kurt-Bernhard Nakath. "Es ist wichtig, dass sich traumatisierte Soldaten verstanden und akzeptiert fühlen", sagt der Bundeswehrarzt Peter Zimmermann. Deshalb werden im Berliner Zentrum auch mehrere Methoden eingesetzt: Neben Einzel- und Gruppengesprächen werden Bewegungs-, Entspannungs-, Akupunktur- und Aromatherapien angeboten.

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