„Nicht die Wirklichkeit“

Türkischer Ärzte-Chef zweifelt offizielle Corona-Fallzahlen an

Die Bundesregierung hat ihre Reisewarnung für vier beliebte Urlaubsregionen in der Türkei aufgehoben. Doch nun wird Skepsis an den offiziellen türkischen Corona-Zahlen laut.

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Ein Gemeindearbeiter in Schutzkleidung desinfiziert einen Weg vor der Hagia Sophia im historischen Sultanahmet-Viertel.

Ein Gemeindearbeiter in Schutzkleidung desinfiziert einen Weg vor der Hagia Sophia im historischen Sultanahmet-Viertel.

© Omer Kuscu/AP/dpa

Istanbul. Der Chef der türkischen Ärztevereinigung hat die offiziellen Corona-Fallzahlen der Regierung in Ankara angezweifelt. „Sie spiegeln nicht die Wirklichkeit wieder“, sagte Professor Sinan Adiyaman der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Die Türkei befinde sich anders als offiziell vermittelt auf einem neuen Höhepunkt der Infektionszahlen.

Die Ärztevereinigung (TTB) habe zuletzt am Mittwoch Fallzahlen von Mitgliedsverbänden aus 25 Provinzen erhalten. Diese zeigten, dass die Zahl der Neuinfektionen landesweit höher sein müssten als die zurzeit mehr als 1000 gemeldeten Fälle pro Tag.

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Hohe Infektionszahlen in Ankara

Vor allem in der Hauptstadt Ankara und im Südosten des Landes sei die Zahl der Neuinfektionen stark gestiegen, sagte Adiyaman. Die Intensivbetten in den staatlichen Krankenhäusern der südosttürkischen Metropole Diyarbakir und in der Provinz Sanliurfa seien voll belegt.

Gesundheitsminister Fahrettin Koca wies am Donnerstag solche Vorwürfe zurück. „In keiner Provinz haben wir volle Krankenhäuser aufgrund von COVID-19, wir haben sogar kein Krankenhaus an der Kapazitätsgrenze. Die Vorwürfe sind haltlos“, schrieb Koca auf Twitter.

Am Dienstag war die Zahl der gemeldeten täglichen Neuinfektionen in der Türkei erstmals seit rund drei Wochen wieder auf mehr als 1000 gestiegen. Am Mittwochabend meldete Gesundheitsminister Koca 1178 neue Fälle.

Als Reaktion verschärfte Ankara landesweit die Kontrollen der Abstands- und Hygieneregeln. Innenminister Süleyman Soylu rief die Bürger dazu auf, sich an die Vorschriften zu halten.

Forderung nach deutlich mehr Tests

Adiyaman forderte zudem, die Regierung müsse deutlich mehr Tests vornehmen und die intensive Rückverfolgung von Infektionsketten wieder aufnehmen. Die TTB hat nach eigenen Angaben in 65 der 81 Provinzen Verbände und repräsentiert 70 Prozent der Mediziner im Land.

Die Türkei hatte im März ihren ersten Coronavirus-Fall gemeldet und rund drei Monate lang strenge Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus erlassen. Seit Anfang Juni wurden die Restriktionen nach und nach abgebaut.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch eine Reisewarnung für vier beliebte Urlaubsregionen in der Türkei aufgehoben. Für den Rest des Landes besteht die Warnung weiter. (dpa)

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