Missbrauchsopfer

Verspätete Entschädigung nach Missbrauch ist rechtens

Probleme im Intimleben, die erst Jahre nach dem Missbrauch beginnen. Das LSG urteilt nun: Eine Entschädigung ist berechtigt.

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CHEMNITZ. Missbrauchsopfer können auch wegen erst Jahre später auftretender Probleme im Intimleben eine Opferentschädigung erhalten. Das gilt auch, wenn Betroffene zumindest im beruflichen Alltag ihr Leben wieder recht gut meistern können, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG). Die Klägerin hatte im Alter von 29 Jahren Ende 2011 eine Opferentschädigung beantragt. Sie sei im Alter von elf und zwölf Jahren von einem Mann sexuell missbraucht worden. Der Täter hatte acht Übergriffe gestanden und war zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Demnach hatte er obszöne Fotos von ihr gemacht, sie an die nackte Brust gefasst und war mit dem Finger in sie eingedrungen. Falls das Mädchen ihren Eltern davon erzähle, würde er für deren Jobverlust sorgen, drohte er. Um dem Opfer eine Aussage zu ersparen, hatte das Amtsgericht auf weitere Ermittlungen verzichtet.

Nach ihren heutigen Angaben dauerte der Missbrauch etwa ein Jahr lang an. Wegen der Ereignisse sei Jahre später eine posttraumatische Belastungsstörung aufgetreten. Diese äußere sich nicht nur in Depressionen und sich aufdrängenden Erinnerungen. Sie vermeide körperliche Berührungen und sexuelle Kontakte. Ihr Intimleben sei deutlich gestört.

Den Antrag auf Opferentschädigung lehnte das zuständige Versorgungsamt ab. Auch das Sozialgericht meinte, die Traumafolgen wirkten sich im Wesentlichen „nur“ auf das Intimleben aus. Den normalen Alltag könne die Frau gut bewältigen. Daher bestehe nur ein Schädigungsgrad von 20. Die Möglichkeit einer Beschädigtenrente für Gewaltopfer besteht erst ab einem Grad von 30.

Das LSG entschied jedoch, dass ein Schädigungsgrad von 30 vorliegt. Dass die Klägerin ihren Alltag angeblich gut bewältigen könne, stehe dem nicht entgegen. Sie pflege infolge des Missbrauchs kaum soziale Kontakte, habe deutliche Probleme in ihrem Intimleben und lasse sogar körperbetonte Kontakte zu ihren Kindern kaum zu. (mwo)

LSG Leipzig, Az.: L 9 VE 16/15

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