Gewalt gegen Kinder

Weiterhin Baustelle für die Politik

Immer mehr Menschen lehnen Gewalt in der Erziehung von Kindern ab. Doch Hochrisikogruppen bereiten weiterhin große Probleme.

Veröffentlicht:

BERLIN. Das gesetzlich verankerte Recht von Kindern und Jugendlichen auf eine gewaltfreie Erziehung hat zu deutlich spürbaren Einstellungsveränderungen in der Bevölkerung geführt. Dennoch konnte das hohe Ausmaß an körperlicher, seelischer und sexueller Misshandlung und Vernachlässigung an Kindern in Deutschland nicht entscheidend reduziert werden.

Auf diese ernüchternde Fakten hat Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), beim 46. Kinder- und Jugend-Ärztetag in Berlin hingewiesen. So würden Tag für Tag etwa 40 Kinder Opfer sexueller Gewalt, 14.000 Kinder allein im Jahr 2015. Knapp 4000 Kinder seien zudem im vergangenen Jahr körperlich misshandelt und zwei Kinder pro Woche zu Tode geprügelt worden.

Fahrlässige Kindstötung hat stark zugenommen

Als besonders besorgniserregend sieht dabei Kongressleiter Professor Klaus M. Keller den Trend an, dass die Fallzahlen fahrlässiger Kindstötungen bundesweit zuletzt um 51 Prozent angestiegen sind.

Ursache für diese Entwicklungen seien die eigenen Gewalterfahrungen der Eltern selbst, soziale Isolation, fehlende Empathie oder prekäre Lebensbedingungen. Zu den Hochrisikogruppen zählten vor allem Heim- und Pflegekinder, Kinder psychisch kranker Eltern sowie minderjährige Flüchtlinge.

Diese Hochrisikogruppen konnten bisher mit allen präventiven Maßnahmen wie zum Beispiel der festen Etablierung von immer mehr Kinderschutzgruppen an bundesdeutschen Kinderkliniken und auch mit den vielfältigen Maßnahmen des Kinderschutzgesetzes nicht erreicht werden, räumte Professor Jörg F. Fegert, Ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Ulm, ein: "An Familien, in denen es schlecht läuft, kommen wir immer noch schlecht ran."

Starker Rückgang prügelnder Eltern in den letzten zehn Jahren

Ganz anders sieht dies bei der großen Masse der Eltern aus. Deren Haltung zur gewaltfreien Erziehung habe sich komplett zum Positiven gewandelt, weil heute eine deutliche Mehrheit Gewalt und harte Strafen gegen Kinder eindeutig ablehne. So verabreichen 2016 nur noch 1,9 Prozent aller Eltern ihren Kindern eine Tracht Prügel mit daraus entstehenden Blutergüssen. 2005 waren es dagegen noch 4,9 Prozent gewesen.

Dennoch wird nach Ansicht von Dr. Josef Kahl, Bundespressesprecher des BVKJ, beim Kinderschutz das gesamte Potenzial der Früherkennung, das etwa die knapp sechs Millionen Kindervorsorgen im Jahr bieten, bei weitem noch nicht ausgeschöpft. (ras)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsverbände

Radioonkologen sind jetzt im SpiFa vertreten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

© Olia / Generated with AI / stock.adobe.com

Neurologische Entwicklungsstörung

Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Acadia Pharmaceuticals (Germany) GmbH, München
Abb. 1: Phenylketonurie – Phenylalanin-Zielwerte und Monitoring während der Lebensphasen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2, 3]

Enzymersatztherapie der Phenylketonurie

Pegvaliase: anhaltendes Ansprechen, flexiblere Ernährung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: BioMarin Deutschland GmbH, Kronberg am Taunus
Abb. 1: Studie VISION-DMD: motorische Funktion TTSTAND-Geschwindigkeit unter Vamorolon 6mg/kg/Tag im Vergleich zu Placebo (erstellt nach [13])

© [M] Springer Medizin Verlag GmbH; Santhera Germany GmbH

Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie mit Kortikosteroiden über alle Altersstufen

Grundlagen und Real-World-Erfahrungen mit Vamorolon

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job