Arznei-Rabattverträge

Wie ausgepresst ist die Zitrone?

Ist jede Preissenkung in Folge eines Rabattvertrags automatisch ein Fortschritt? Beim Eppendorfer Dialog mahnten Diskussionsteilnehmer, das Einsparpotenzial dieses Instruments sei weitgehend ausgereizt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ausgepresst wie eine Zitrone: Aus den Rabattverträgen ist nicht mehr viel rauszuholen, meinen Experten.

Ausgepresst wie eine Zitrone: Aus den Rabattverträgen ist nicht mehr viel rauszuholen, meinen Experten.

© Marina Lohrbach / Fotolia

HAMBURG. Versorgungssicherheit und Erhalt des Wettbewerbs – diese Ziele stehen für die Politik bei möglichen Änderungen bei den Rabattausschreibungen auf der Agenda. Thomas Stritzl (CDU) aus dem Bundestagsgesundheitsausschuss will erreichen, dass Akteure mit unterschiedlichen Interessen über mögliche Anpassungen diskutieren.

Der Gesundheitspolitiker aus Kiel machte beim 21. Eppendorfer Dialog in Hamburg deutlich, dass er die Ausschreibungen aufgrund ihrer Kostendämpfungswirkung zwar für grundsätzlich richtig hält, nun aber eine Anpassung fällig ist.

"Die Zahlen zeigen, dass wir einen Zenit erreicht haben", sagte Stritzl unter Verweis auf die erfolgten Einsparungen. Nach Angaben von Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen betragen diese rund 3,9 Milliarden Euro jährlich.

Auslagerung der Produktion

Als "hohes Risiko" schätzt Stritzl ein, dass die Unternehmen aufgrund der Rahmenbedingungen ihre Produktion inzwischen weitgehend außerhalb Europas angesiedelt haben. "Können wir bei den Ausschreibungen sicher sein, dass die Unternehmen alle Auflagen erfüllen können? Das muss diskutiert werden", forderte Stritzl.

Er sieht ein politisches Interesse an einer Produktion in Europa. Auch sollten die Ausschreibungen nicht dazu führen, dass Wettbewerber vom Markt verschwinden – denn in einem Oligopol wäre die angestrebte Kostendämpfung nicht mehr durchsetzbar. Welche Anpassungen konkret erfolgen müssten, um diese Risiken abzuwenden, sollte aus seiner Sicht "ohne Schaum vor dem Mund" mit den Akteuren diskutiert werden.

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Die aber zogen in Hamburg unterschiedlich Bilanz. Laut Dr. Christopher Hermann, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, haben die erreichten Einsparungen – allein im AOK-System waren dies im vergangenen Jahr 1,6 Milliarden Euro – zu einem Reinvest in die Versorgung und zur Vermeidung von Beitragserhöhungen beigetragen.

Die Einsparungen bei Arzneimitteln kommen nach seiner Lesart also den Versicherten zugute. Auch in puncto Versorgungssicherheit und Transparenz hätten die Rabattausschreibungen Fortschritte gebracht. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Arzneimittelversorgung, die er als intransparent empfindet, habe es in diesem Segment keine Lieferschwierigkeiten gegeben.

Dr. Martin Zentgraf, Vorstandschef des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dagegen sprach von einer "Rabattschlacht" mit der Folge einer "Turboisierung des Preisverfalls bei Generika". Rapide gefallene Herstellerabgabepreise haben nach seiner Darstellung bereits zu einer Marktkonzentration geführt: "Im Marktsegment mit Rabattvertrag entfallen bereits knapp 50 Prozent der Absätze auf die Top 3-Konzerne." Bei den führenden zehn Wirkstoffen betrage dieser Anteil bis zu 90 Prozent. Er sprach sich dafür aus, bei versorgungskritischen Wirkstoffen und bei weniger als vier Anbietern keine Rabattverträge mehr zuzulassen und bei der Vergabe mindestens einen Anbieter mit europäischer Produktionsstätte zu berücksichtigen.

Häufiger Wechsel der Präparate

Aus ärztlicher Sicht machte Professor Stefan Schmitz als Vorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen deutlich, dass Sicherheit der Patienten und die Vermeidung von Versorgungsengpässen Priorität haben müssen. Glaeske sprach zwar von "unübersehbaren ökonomischen Erfolgen" der Rabattverträge, gab aber zu bedenken, dass nicht jede Ausgabensenkung ein Fortschritt ist.

Er verwies auf Folgen von Rabattverträgen – wie etwa häufige Präparatewechsel –, die Patienten verunsichern. Ein weiterer Nachteil: Ärzte würden durch die Vorgaben der Rabattvereinbarungen zunehmend "preisunsensibel", da sie den Markt nicht mehr vergleichen. "Die Preistransparenz macht aber erst Vergleiche zwischen Arzneimitteln möglich, sie wird mit den Rabattverträgen systematisch konterkariert." Glaeske mahnte, den Nutzen dieses Instruments für das Gesamtsystem kritisch zu beleuchten.

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Kommentare
Jörg Dähn 02.07.201709:22 Uhr

Schön, dass Herr Stritzl begreift . . .

Das Geiz nicht geil ist. Das sieht man an den mannigfaltigen Presseberichten zur Qualität der Arzneimittelmund deren mangelhafter Herstellung und Testung in Schwellen- und Entwicklungsländern.

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