Wie das Jugendamt Kindern helfen kann

Fälle wie der Tod des kleinen Kevin aus Bremen werfen ein schlechtes Licht auf die Arbeit des örtlichen Jugendamtes. Eine Imagekampagne soll nun helfen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Bei Verdacht auf Misshandlung von Kindern ist das Jugendamt gefragt - auch nach Dienstschluss.

Bei Verdacht auf Misshandlung von Kindern ist das Jugendamt gefragt - auch nach Dienstschluss.

© Seybert / fotolia.com

KÖLN. Wenn bei Astrid Händler vom Bezirksjugendamt Köln-Rodenkirchen nach 20 Uhr das Diensthandy klingelt, könnte es ernst werden. Denn dann ist ein besorgter Nachbar, die Polizei oder das Krankenhaus am anderen Ende der Leitung und informiert die Sozialarbeiterin darüber, dass möglicherweise gerade ein Kind misshandelt wurde.

Astrid Händler ist Mitarbeiterin beim Gefährdungsmeldungs-Sofortdienst (GSD), den die Stadt Köln 2008 als Reaktion auf den dramatischen Fall des misshandelten und getöteten Kevin aus Bremen eingerichtet hat.

Der GSD gehört zum Jugendamt. Hier können Nachbarn, Verwandte, Ärzte oder Lehrer unter einer zentralen Rufnummer rund um die Uhr anrufen, wenn sie den dringenden Verdacht haben, dass ein Kind geschlagen oder sexuell missbraucht wurde.

Ein Anruf auf dem Handy bedeutet schnelles Handeln

Wie viele andere Jugendämter beteiligt sich die Kölner Behörde bis zum 8. Juni an der bundesweiten Kampagne "Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt." Damit wollen die rund 600 Jugendämter in Deutschland über ihre Aufgaben und Angebote informieren und ihr negatives Image aufpolieren.

"Die Vorstellung von der Arbeit des Jugendamts ist bei vielen Menschen geprägt durch negative Schlagzeilen wie den Tod des kleinen Kevin oder der kleinen Jessica", sagt Händler. Das seien jedoch schreckliche Einzelfälle. "Einem Großteil der Familien können wir helfen, etwa mit Beratung in Situationen, in denen sich Eltern trennen oder Kinder Probleme mit Drogen bekommen."

Beim Jugendamt in Köln nimmt Astrid Händler Notrufe und Beratungswünsche entgegen.

Beim Jugendamt in Köln nimmt Astrid Händler Notrufe und Beratungswünsche entgegen.

© Gröger

Bei einem Anruf auf ihr Diensthandy muss die 33-Jährige schnell und gleichzeitig überlegt handeln. Meldet ein Krankenhaus, dass ein Kind mit verdächtigen Verletzungen eingeliefert wurde, setzt sie sich auch schon mal nachts ins Auto und fährt hin, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen.

Dabei trifft sie ihre Entscheidungen niemals allein. Auch beim Bereitschaftsdienst ist immer ein zweiter Kollege erreichbar, mit dem sie sich bespricht und entscheidet, wie akut ein Fall ist. Sie wägen ab, ob es vielleicht ausreicht, am nächsten Morgen nach dem Kind zu sehen oder - wenn es ganz schlimm kommt - ob es nötig ist, das Kind sofort aus der Familie zu nehmen. Das komme aber nicht so oft vor, sagt Händler.

"Wenn Eltern ins Krankenhaus fahren, hat das ja meistens einen Grund, sie wollen, dass ihrem Kind geholfen wird." In Gesprächen mit den Ärzten und den Eltern versuchen sie und ihr Kollege vor Ort herauszufinden, wie die Verletzung zustande gekommen sein kann und ob die Erklärung der Eltern plausibel ist.

Der Bereitschaftsdienst ist jedoch nicht die einzige Aufgabe des GSD. "Wir wollen auch in der Prävention Ansprechpartner für Ärzte, Schulen und Kindertagesstätten sein", sagt Eleonore Wolf, die für den GSD im Bezirksjugendamt Köln-Mühlheim arbeitet.

Für die Zusammenarbeit hat die Behörde mit allen städtischen Einrichtungen Kooperationsverträge geschlossen. Wolf und Händler organisieren Infoveranstaltungen, auf denen sie Eltern, Lehrer und Erzieher für das Thema Misshandlung und Missbrauch sensibilisieren wollen.

Bundesweite Aktionswochen der Jugendämter

Unter dem Motto "Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt" laden die Jugendämter in Deutschland Interessierte ein, sich über ihre Aufgaben zu informieren.

In den Aktionswochen bis 8. Juni 2011 beteiligen sie sich an Info-Veranstaltungen.

Die Kampagne wird finanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundesgemeinschaft Landesjugendämter.

www.unterstuetzung-die-ankommt.de

Ärzte können sich auch anonym beraten lassen

Auch mit Kinderärzten stehen die beiden Sozialarbeiterinnen in engem Austausch und haben dabei meist gute Erfahrungen gemacht. "Wenn Ärzte einen konkreten Hinweis auf Misshandlung oder Vernachlässigung feststellen, rufen sie uns in der Regel an", sagt Wolf.

Denn das Wohl des Kindes steht über der ärztlichen Schweigepflicht. Ein paar schlechte Erfahrungen hat die 39-Jährige aber auch gemacht. "Es gibt immer wieder Mediziner, die eine schlechte Meinung vom Jugendamt haben und partout nicht mit uns zusammenarbeiten wollen", sagt sie.

"Sie haben große Angst, die ärztliche Schweigepflicht zu verletzen und damit das Vertrauen zu den Eltern zu verlieren." Dabei gebe es die Möglichkeit der anonymen Beratung, bei der sich unsichere Mediziner mit den Mitarbeitern vom Jugendamt austauschen können, ohne konkrete Namen zu nennen.

Wolf wünscht sich, dass sich noch mehr Pädiater für die Arbeit der Jugendämter interessieren. Von der Zusammenarbeit könnten beide Seiten profitieren. "Wir können viel Medizinisches über die kindliche Entwicklung lernen, und der Arzt erfährt etwas über unsere Arbeit, verliert die Angst davor und kann das auch an die Familien weitergeben."

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