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Wie die Pandemie zum Umdenken im Gesundheitswesen führt

Gesundheitsleistungen sind in der Pandemie zurückgegangen, das könnte sich langfristig fortsetzen, vermutet der DGIM-Vorsitzende. Außerdem wird die Planung für den Facharzt für Infektiologie aktuell.

Von Lena Jamaszyk Veröffentlicht:
Die besonderen Herausforderungen der Pandemie machen den Ressourcenmangel in den Krankenhäusern deutlich.

Die besonderen Herausforderungen der Pandemie machen den Ressourcenmangel in den Krankenhäusern deutlich.

© Jens Büttner/dpa

Wiesbaden. Um Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten zu schaffen, haben Krankenhäuser ihr Leistungsangebot derzeit deutlich zurückgefahren und elektive Eingriffe aufgeschoben.

„Bei akut lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall ist es bedenklich, dass derzeit weniger Patienten einen Arzt aufrufen“, sagte Professor Sebastian M. Schellong auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Bei weniger gefährlichen Erkrankungen dagegen habe nicht jede aufgeschobene oder abgesagte Behandlung negative Folgen, so der DGIM-Vorsitzende und Chefarzt der II. Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum Dresden. Ärztliche Leistungen zu reduzieren, um mit den knappen personellen und finanziellen Ressourcen zu haushalten, ist also aktueller denn je.

Am Rand der Belastungsgrenze

Nicht erst seit die Corona-Pandemie die Gesundheitsversorgung in Teilen an den Rand der Belastungsgrenze gebracht habe, stünde fest, dass an vielen Stellen im Gesundheitswesen dringend benötigte finanzielle Mittel fehlten. „Viele, die im Krankenhaus arbeiten, spüren, dass sie in den Zwang der Ökonomie geraten“, erklärte Schellong.

Er betonte, dass sich dieser Zustand nach Ende der Coronakrise eher noch verstärken würde. Angesichts sinkender Steuereinnahmen und eines erhöhten Schuldenstandes sei nicht zu erwarten, dass die öffentliche Hand den zu erwartenden Rückgang an Krankenversicherungsbeiträgen kompensieren könne – oder wolle.

Weniger Leistungen erbracht

Es gäbe Abrechnungsdaten, die belegten, dass zu Coronazeiten insgesamt weniger Leistungen erbracht wurden, sagte Schellong. „Wir müssen versuchen zu verstehen, nach welchen Kriterien Krankenhäuser ihre Leistungen eingestellt oder priorisiert haben“. Dabei seien besonders die wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Krankenkassen in einer ganz wichtigen Rolle.

Aber auch auf die Aufgaben der Ärzte ging er ein: „Ärzte müssen bereit sein, mehr Planung zu akzeptieren. Je mehr sie nach ärztlichen Gesichtspunkten mitgestalten, desto besser wird es gelingen“, betonte er. Die Stärkung des Pflegeberufs hob Schellong ebenfalls hervor.

Als mögliche Ansatzpunkte nannte er Bezahlung, Arbeitszeitmodelle und Akademisierung. In puncto Personaluntergrenzen könnte die Pflege allerdings für den Arztberuf jetzt schon als Vorbild dienen. „Natürlich soll es eine Arztuntergrenze geben“, so Schellong.

Brauchen wir Fachärzte für Infektiologie?

Auf eine weitere Notwendigkeit, die durch die Corona-Pandemie besonders aktuell wird, machte Professor Bernd Salzberger, Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), aufmerksam.

Salzberger spricht sich für eine Fachärztin oder Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie aus. Die Facharztausbildung würde besonders komplizierte Infektionen, Prophylaxen und Infektionsmaßnahmen thematisieren, erklärte Salzberger. Die bereits bestehende einjährige Zusatzweiterbildung solle weiterhin bestehen, um die Infektiologie breiter zu verankern, so Salzberger.

Die HIV-Pandemie und die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen bei vielen humanpathogenen Erregern hätten bei paralleler Zunahme der Zahl immunsupprimierter Patienten dazu geführt, dass ein Umdenken eingesetzt habe. Infektionskrankheiten rückten also wieder mehr in den Fokus.

Spezielles Wissen und Kompetenz in der Prävention, Prophylaxe und Behandlung von Infektionen würden zunehmend in allen Fächern der klinischen Medizin als notwendig gelten.

Infektionserkrankungen sind wandelnde Herausforderung

Nach der HIV- sei die COVID-19-Pandemie ein weiteres Signal, dass Infektionserkrankungen keinesfalls überwunden seien, sondern stattdessen eine sich rasch wandelnde Herausforderung darstellten. „Ich hoffe, dass über den Facharzt dieses Jahr entschieden wird – das Moment der Pandemie könnte genutzt werden“, so Salzberger.

Er bekräftigte aber, dass auch unabhängig von der Pandemie die Spezialisierung von Bedeutung sei: „Wir sind mit der DGIM schon lange auf diesem Weg, Antibiotikaresistenzen waren schon Thema auf dem G8-Gipfel. An die Pandemie hat damals noch niemand gedacht“, berichtete der Infektiologe.

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