Kassenaufsicht

Wir bremsen nicht bei Hausarztverträgen!

Dicke Luft zwischen Unionspolitikern und dem Bundesversicherungsamt. Die Behörde soll bei Hausarztverträgen bremsen. Doch BVA-Präsident Gaßner spielt den Ball an den Gesetzgeber zurück.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Dauerbaustelle Paragraf 73 b: Die Vorgabe der Beitragssatzstabilität sorgt für Unmut bei unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen.

Dauerbaustelle Paragraf 73 b: Die Vorgabe der Beitragssatzstabilität sorgt für Unmut bei unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen.

© [M] Steinmetz: Neumeier / imago | Steinbruch: focus finder / fotolia.com

BERLIN/BONN. Gesundheitspolitiker der Union werden von den Folgen ihrer eigenen Gesetzgebungsarbeit eingeholt. Gemeint ist der Wirtschaftlichkeitsvorbehalt, den Union und FDP vor drei Jahren in den Paragrafen 73b eingefügt haben.

Vereinfacht gesprochen dürfen Hausarztverträge nicht teurer sein als die Regelversorgung. Dies beim Start der Verträge vorab nachzuweisen, erweist sich seitdem als Bremse für die Selektivverträge.

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hat als Sündenbock das Bundesversicherungsamt ausgemacht, das die bundesunmittelbaren Kassen beaufsichtigt.

Dort würden Hausarztverträge aus der "Schreibtischperspektive" bewertet und teilweise "gestoppt", beschwerte sich Spahn Anfang März beim Baden-Württembergischen Hausärztetag.

30 Verträge beanstandet

BVA-Präsident Dr. Maximilian Gaßner lässt diesen Vorwurf an sich abtropfen. "Für Probleme, die nach Auffassung einiger Akteure im Gesundheitswesen bestehen, ist das BVA nicht der richtige Adressat", sagte Gaßner auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Der Gesetzgeber müsse hier "selbst entscheiden, ob er tätig werden möchte".

Den Vorwurf, seine Behörde bremse bei der Genehmigung der Verträge, nennt Gaßner "unzutreffend". Süffisant erinnert der BVA-Chef daran, dass seine Behörde "nicht aus eigenem Antrieb eine verschärfte Prüfung eingeführt hat, sondern die Regelungen des § 73b SGB V umsetzt".

Nach Einführung der neuen Vorgabe für Hausarztverträge, wonach der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu beachten ist, seien Anfang 2011 etwa 30 Verträge beanstandet worden.

Im April 2011 hat die Behörde dann in einem Rundschreiben erläutert, wie die Vorgabe der Beitragssatzstabilität geprüft werde.

Dabei hat das BVA Kassen und Hausärzteverbänden die Aufnahme einer Vertragsklausel empfohlen, wonach Mehraufwendungen - beispielsweise durch höhere Honorare - "durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen dieses Vertrages erzielt werden, finanziert werden" sollten.

Seitdem seien 400 weitere Verträge der Bonner Behörde vorgelegt - und nicht beanstandet worden. Dies betreffe frei ausgehandelte Verträge und solche, die per Schiedsverfahren festgesetzt wurden, berichtet Gaßner.

Sieben Kartons mit Unterschriften

Auch in Richtung Hausärzteverband will der BVA-Chef klarstellen, für was seine Behörde zuständig ist: Aufgabe des BVA sei es nicht, "das mangelnde Interesse einiger Krankenkassen, mit regionalen Hausarztverbänden Verträge nach § 73b SGB V zu schließen, durch eigene Aktivitäten zu ersetzen."

Mehr als 150.000 Patienten haben unterdessen eine Sammelpetition des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV) unterschrieben, mit der eine Streichung des Absatz 5a im Paragrafen 73b SGB V gefordert wird.

Vor kurzem hat BHÄV-Vorsitzender Dr. Dieter Geis sieben Kartons mit den Unterschriften an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages übergeben.

Nachdem das Quorum von 50.000 Unterschriften damit deutlich überschritten ist, sei es nun "sehr wahrscheinlich, dass die Petition im Ausschuss öffentlich behandelt und der Antragsteller gehört werden muss", teilte der BHÄV mit.

Der Verband hatte sich immer wieder gegen die "Sparklausel" im Paragrafen 73b gewandt und eine Rückkehr zur alten Fassung gefordert.

Hausarztverträge nach der alten Fassung seien ein wichtiges Instrument, "die flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung nachhaltig sicherzustellen und dem dringend benötigten hausärztlichen Nachwuchs eine Perspektive mit wirtschaftlicher Planungssicherheit zu bieten", betonte Geis.

"Einige haben Ernst der Lage nicht verstanden"

Die im neuen Paragrafen vorgesehene Refinanzierung von Hausarztverträgen sei unethisch, weil auf Kosten von Patienten gespart werden soll.

"Wir fordern deshalb den Bundestag auf, diesen Strukturfehler im Gesetz zu beheben und den Absatz 5a wieder zu streichen", sagte Geis bei der Übergabe der Unterschriften an den CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder, Mitglied des Petitionsausschusses.

Eine Absage erteilte Geis einem Vorschlag, wonach der Absatz 5a zwar gestrichen werden soll, im Gegenzug die Krankenkassen aber nicht mehr zum Abschluss von Hausarztverträgen verpflichtet sein sollen.

"Einige Politiker haben den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht verstanden", erklärte Geis. Hausarztverträge hätten gezeigt, "dass sie als kurzfristiges und nachhaltiges Instrument der hausärztlichen Nachwuchsgewinnung funktionieren und die Versorgung der Patientinnen und Patienten wirksam verbessern", sagte der BHÄV-Vorsitzende.

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