SPD-Mitgliederentscheid

Wird das Lastenheft Gesundheit jetzt zugeklappt?

Die Basis will es so: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sollen die SPD führen. Das könnte das Ende der GroKo einläuten. Für Gesundheitsminister Spahn wäre das eine schlechte Nachricht.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken freuen sich über ihre Wahl an die SPD-Spitze.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken freuen sich über ihre Wahl an die SPD-Spitze.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Paukenschläge gehören zur Politik dazu – und zur SPD derzeit ganz besonders. Aufstieg und Fall des ehemaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz wären da zu nennen. Oder die Abgänge der Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und Andrea Nahles. Kollateralschäden des Niedergangs einer zutiefst verunsicherten Partei.

Jetzt der nächste Paukenschlag: Die SPD-Basis wünscht sich die erklärten „GroKo-Skeptiker“ Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an der Spitze. Schon am Wochenende soll ein Parteitag in Berlin die beiden zum neuen Führungsduo wählen.

20 Gesundheitsgesetze in 20 Monaten

Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommt die Entwicklung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Ins Guinnessbuch der politischen Rekorde hat er es zwar schon geschafft: 20 Gesetze zu Gesundheit und Pflege in nur 20 Monaten durchs Parlament zu hieven, macht Spahn so schnell niemand nach. Ein frühzeitiges Ende der Koalition aber würde seinen Tatendrang jäh beenden.

Natürlich käme die Union auch künftig ohne ihren fleißigsten Gesundheitsminister nicht aus – egal, ob es in den nächsten Wochen auf Minderheitsregierung oder Neuwahlen hinausläuft. Dennoch würden in beiden Szenarien andere in der Union den Ton angeben und sich für höhere Aufgaben empfehlen.

Für Spahn dagegen kommt die „Kanzlerfrage“ zu früh – auf dem Weg von Platz drei nach ganz vorne steht er noch am Anfang. Hilfreicher wäre es da, die erfolgreiche „Sacharbeit“ mit dem Koalitionspartner fortzusetzen und weitere Fleißkärtchen einzusammeln. Und von denen gibt es noch etliche.

Honorarreform steht noch aus

Wichtige Punkte im Koalitionsvertrag sind noch nicht abgearbeitet. Das gilt etwa für die geplante Reform von EBM und GOÄ oder die versprochene Fortsetzung der „Qualitätsoffensive für Krankenhäuser“ und die Frage, woher die dringend benötigten Investitionen im Klinikbereich kommen sollen.

Auch die eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur sektorenübergreifende Zusammenarbeit ist Konkretes bislang schuldig geblieben. Eine Baustelle, die im Übrigen tiefer geht, als mancher meint. Zuletzt erst hatte ein EU-Bericht von einer „fragmentierten“ Gesundheitsversorgung in Deutschland gesprochen und erhebliche „Versorgungsbrüche“ festgestellt. All diese Dinge kämen mit einem Scheitern der Koalition erst einmal zum Erliegen.

Spahn hat zuletzt gebetsmühlenartig erklärt, der Politik müsse es darum gehen, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Das gelinge nur, wenn die Parteien sich nicht permanent um sich selbst drehten und Sachthemen in den Vordergrund rückten. Wer in ein Taxi steige, wolle doch auch von A nach B gefahren werden und nicht ständig hören, wie es dem Fahrer geht.

Noch viele offene Fragen

Ob die Koalition in den nächsten Tagen und Wochen tatsächlich an die Wand fährt, ist nicht ausgemacht. Noch gibt es viele offene Fragen: Ein Selbstläufer, wie viele meinen, ist die Wahl der neuen SPD-Doppelspitze nicht unbedingt: So muss der Parteitag zunächst eine Satzungsänderung beschließen – mit Zweidrittelmehrheit.

Walter-Borjans und Esken gelten im Vergleich zu den unterlegenen Bewerbern Olaf Scholz und Klara Geywitz als Außenseiter – auch wenn Borjans in Nordrhein-Westfalen Finanzminister war und Esken als Abgeordnete aus dem Nordschwarzwald für die SPD im Bundestag sitzt. Auf Bundesebene müssen sich beide noch einen Namen machen, sprich einen Kurs bestimmen.

Natürlich betonen alle in der SPD, entschieden sei noch nichts. Dass Walter-Borjans und Esken aber einfach zur Tagesordnung übergehen, als wäre nichts geschehen, käme einem politischen Selbstmord gleich. Die Forderung, den Koalitionsvertrag nachverhandeln zu wollen, formulieren beide seit Wochen.

Am Sonntagabend haben sie bei „Anne Will“ das Junktim für den Fortbestand der „GroKo“ erneuert. Dass sich die Union darauf einlässt, ist unwahrscheinlich. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder haben diesen Stecker zuletzt mehrfach gezogen.

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