360 000-Euro-Geschenk ist Fall fürs Berufsgericht

NEU-ISENBURG (juk). Wer sich als Arzt von Patienten teure Geschenke machen lässt, muss mit einem berufsgerichtlichen Verfahren rechnen. Ein solches wurde gegen einen Internisten eröffnet, dem eine alte Patientin viel Geld schenkte - insgesamt 360 000 Euro.

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Die fast 80-jährige Frau hatte den Internisten zum Hausarzt gewählt und wurde von ihm im Laufe der Jahre auch gut versorgt. Regelmäßig einmal in der Woche besuchte der Doktor die hochbetagte Patientin, oft schaute er auch noch am Wochenende bei ihr vorbei.

Von Januar 2000 bis März 2003 ließ sich der Arzt - mit Hilfe eines Bankmitarbeiters, der das Vermögen der Frau seit 30 Jahren betreute - viermal beschenken. Nach Feststellungen des Landesberufsgerichts in Nordrhein-Westfalen erhielt der Mediziner insgesamt 362 000 Euro. Ob die Patientin bei den Schenkungen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war, daran bestanden ernsthafte Zweifel.

Der Neffe der Patientin zeigte den Arzt jedenfalls an, die Ermittlungen wegen Untreue und Betrugs wurden von der Staatsanwaltschaft jedoch eingestellt. Dagegen beantragte die Ärztekammer Westfalen-Lippe gegen den Kollegen die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens wegen Verstoßes gegen die Berufsordnung. Das Landesberufsgericht gab dem Antrag statt. Der Internist habe gegen Paragraf 32 der Berufsordnung verstoßen. Danach dürfen Ärzte keine größeren Geschenke annehmen, wenn der Eindruck erweckt wird, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst werden könnte.

Obwohl der Internist schon 2002 bei der Patientin Realitätsverlust diagnostiziert habe, habe er bei den späteren Schenkungen im Jahr 2003 nicht die Angehörigen informiert und eine Betreuung angeregt. "Dass er dies unterlassen hat, stützt den Eindruck, dass er in Erwartung der Schenkungen in der Unabhängigkeit seiner ärztlichen Entscheidungen beeinflusst gewesen ist", begründete das Gericht seine Entscheidung.

Wie hoch Geschenke an Ärzte sein dürfen, dazu ist in der Berufsordnung nichts Konkretes geregelt. "Die Grenze liegt bei ungefähr 50 Euro", sagt Dr. Dirk Schulenburg, Justitiar der Ärztekammer Nordrhein. "Wenn das Geschenk aus Dankbarkeit vom Patienten kommt, darf man aber bestimmt ein bisschen großzügiger sein. Kommt das Geschenk dagegen von Dritten, etwa von der Pharmaindustrie, wird man etwas strenger sein."

So steht es in der Musterberufsordnung

Paragraf 32: Ärzten ist es nicht gestattet, von Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Eine Beeinflussung liegt dann nicht vor, wenn der Wert des Geschenks oder des anderen Vorteils geringfügig ist.

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