Ärzte bleiben trotz des neuen Euro-EBM im Blindflug
Seit Ende August steht es fest: Der Orientierungswert beträgt 3,5001 Cent, und er gilt für - fast - alle ärztlichen Leistungen. Punktzahl multipliziert mit diesem Wert, ergibt den festen Euro-Betrag, den Praxischefs erhalten.
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Ohne Navigationshilfen geht’s für Ärzte beim Flug durch die neue Honorarwelt auch 2009 nicht. Der fixe Orientierungswert kann als Kompass dienen.
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Endlich ist Schluss mit floatenden Punktwerten. Ein unveränderlicher fixer Wert scheint gefunden, an Hand dessen jeder niedergelassene Arzt sofort weiß, wie viel die Leistung wert ist, die er gerade erbringt. Bundesweit einheitlich für alle Kassenarten und Fachgruppen. Mit diesem so genannten Orientierungswert werden von 2009 an alle ärztlichen Leistungen vergütet. Daher wählt der hessische KV-Vize Dr. Gerd Zimmermann bei seinen Präsentationen vor Ärzten als Kernaussage Nummer Eins des neuen Vergütungssystems den Satz: "Der Punktwert beträgt für alle Leistungen 3,5001 Cent."
Für einige Leistungen wird der Punktwert angehoben
Zwar werden tatsächlich alle Leistungen mit diesem Wert vergütet, einige sind jedoch noch einmal hervorgehoben und als besonders förderungswürdig eingestuft worden. Sie wurden schon im Sommer vom Erweiterten Bewertungsausschuss bundesweit mit einem Anhebefaktor versehen. So gibt es beispielsweise für Schmerztherapie, Akupunktur, Polysomnographie, MRT-Angiographie und für psychotherapeutische Leistungen mehr Punkte als bisher. In den einzelnen KVen wurden in den letzten Wochen bei den Honorarverhandlungen teilweise noch zusätzliche regionale Aufschläge durchgesetzt.
Knackpunkt in vielen Verhandlungen auf Länderebene war das Thema ambulantes Operieren. In Nordrhein einigten sich KV und Kassen beispielsweise auf Zuschläge zwischen 0,4 Cent und 0,75 Cent auf die schon vorher mit einem Anhebefaktor versehenen Orientierungswerte für diese Leistungen. In Rheinland Pfalz dagegen waren die Kassen nicht bereit, Zuschläge beim ambulanten Operieren zu bezahlen, auch in Westfalen Lippe bleibt es beim bundesweiten Orientierungswert ohne Anhebungsfaktoren.
Grundsätzlich soll in ganz Deutschland der gleiche Orientierungswert gelten, der künftig alljährlich im August vom Bewertungsausschuss neu festgelegt wird. Damit sollen gleiche Leistungen unabhängig vom Ort der Leistungserbringung gleich vergütet werden. Tatsächlich bestehen die Unterschiede jedoch bei den "besonders förderungswürdigen" Leistungen weiter, die regional mit unterschiedlich hohen Punktwerten honoriert werden.
Nach dem Gesetz wäre es möglich gewesen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bei ihren Vereinbarungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen vom einheitlichen Orientierungswert abweichen. So kann grundsätzlich ein Zu- oder Abschlag vereinbart werden, um landesbezogenen Besonderheiten Rechnung zu tragen.
Der Gesetzgeber wollte damit die Möglichkeit eröffnen, dass unterschiedliche Kosten für Löhne und Mieten von Bundesland zu Bundesland ausgeglichen werden. Tatsächlich ist es jedoch nicht dazu gekommen. Überall blieb es bei dem ursprünglich ausgehandelten Wert von 3,5001 Cent.
Für manche KVen waren 3,5001 Cent eine bittere Pille
Und das, obwohl dieser einheitliche Orientierungswert besonders für die KVen im Westen und Süden eine bittere Pille ist. So liegen die bisherigen Punktwerte beispielsweise in Nordrhein bei 3,8, in Baden-Württemberg bei vier Cent.
Nicht einverstanden mit der Höhe des Orientierungswertes sind die Krankenkassen. In Bayern hatten sie bei den jüngsten Honorarverhandlungen gefordert, den Wert um 15 Prozent zu senken. Begründung: Das Honorarniveau der bayerischen Praxischefs lag schon bisher 15 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die KV verwies dagegen auf die höheren Betriebskosten der bayerischen Praxen. Auch in Niedersachsen argumentierten die Kassen damit, dass sie das ausgehandelte Honorarvolumen nicht bezahlen könnten und forderten eine Reduzierung des Orientierungswertes um neun Prozent. Weder die bayerischen noch die niedersächsischen Kassenvertreter konnten sich jedoch durchsetzen.
Schon im Sommer, als der erweiterte Bewertungsausschuss gegen die Stimmen der Krankenkassen den Orientierungswert festgelegt hat, hat sich der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen bitterböse geäußert: Die "Honorarerhöhung" für die Vertragsärzte sei "überzogen", so der Verband in einer Mitteilung. Die Rechnung müssten letztlich die 70 Millionen Versicherten und Beitragszahler bezahlen.
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