Ärzte haften nicht per se für behinderte Kinder

NEU-ISENBURG (juk). Raten Ärzte aus Furcht davor, fürs Kind als Schaden haften zu müssen, Schwangeren wirklich zur Abtreibung? Sollte dies zutreffen, beruhen die Ermunterungen auf einer Angst, die völlig unbegründet ist.

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Im Zusammenhang mit der Diskussion um Spätabtreibungen wurde Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit der Aussage zitiert, dass "in vielen Fällen zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten" werde. Grund dafür sei die Rechtsprechung der Gerichte, die einige wenige Ärzte in der Vergangenheit dazu verurteilt haben, für ursprünglich ungewollte oder behinderte Kinder Unterhalt zu zahlen. In der Juristerei laufen diese Entscheidungen unter dem Stichwort "Kind als Schaden".

Rechtsprechung zum "Kind als Schaden" verunsichert.

"Ärzte sollten nicht zu ängstlich sein", sagt Maximilian Broglie, Arzthaftungs-Experte aus Wiesbaden. Nach seiner Erfahrung spielen diese Haftungsfälle in der Praxis keine große Rolle. Der Grund dafür ist einfach: Wenn Ärzte für ein Kind als Schaden finanziell einstehen müssen, steckt dahinter im Einzelfall entweder ein grober Aufklärungsfehler, oder eine Sterilisation war nicht von Erfolg gekrönt.

Einige der bisher ergangenen Urteile betrafen fehlgeschlagene Sterilisationen. In einem Fall musste der Arzt, der für die endgültige Unfruchtbarkeit sorgen sollte, einer ungewollt schwanger gewordenen Frau Schmerzensgeld zahlen für die bei der späteren Abtreibung erlittenen Schmerzen. In einem anderen Fall wurden dem Ehemann Ersatzansprüche zugesprochen, weil er nach der erfolglosen Sterilisation seiner Ehefrau unterhaltspflichtig wurde.

Andere Gerichtsentscheidungen beruhten darauf, dass der verklagte Arzt die Eltern über eine Behinderung des Embryos nicht aufgeklärt hatte. Eine Ärztin beispielsweise hatte auf dem Ultraschall zwar erkannt, dass dem Kind Arm und Beine fehlten, dies der schwangeren Patientin aber nicht mitgeteilt. "Ärzte müssen keine Haftung fürchten, wenn sie etwa bei Spätgebärenden oder älteren Paaren auf die Möglichkeit einer Behinderung des Kindes und auf die vorhandenen Vorsorgeuntersuchungen hinweisen", so Broglie.

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