Prognos-Studie

Ärzte könnten zwei Milliarden Euro mehr erwirtschaften

Die heute startenden Honorarverhandlungen versprechen viel Spannung: Denn während die KBV fünf Milliarden mehr fordert, kommt eine von den Kassen beauftragte Studie zu dem Ergebnis: Zwei Milliarden Euro könnten eingespart werden - wenn Ärzte effizienter arbeiten würden.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Wie viel Geld erhalten die Ärzte? Die Honorarverhandlungen beginnen.

Wie viel Geld erhalten die Ärzte? Die Honorarverhandlungen beginnen.

© Klaus Rose

BERLIN. Pünktlich zu den Honorarverhandlungen zwischen Kassen und KBV gibt es ein Update der Prognos-Studie zu den potenziellen Wirtschaftlichkeitsreserven in Vertragsarztpraxen.

Nach den aktuellen Daten der durch den GKV-Spitzenverband beauftragten Studie, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt, ließen sich Wirtschaftlichkeitsreserven bis zu einer Summe von 2,036 Milliarden Euro heben - mit den entsprechenden Folgen für den Orientierungswert.

Dabei setzt die sogenannte Machbarkeitsanalyse von Prognos auf einen Benchmark - also Vergleich - von vier Praxistypen, die rein nach ihrer Wirtschaftlichkeit in "sehr niedrig", "niedrig", "hoch" und "sehr hoch" unterschieden werden.

Kostenstrukturanalyse 2011 dient als Grundlage

Grundlage der Studie sind die Daten der Kostenstrukturanalyse aus 2011 des Statistischen Bundesamtes. Als besonders wirtschaftlich und Maßstab für andere Praxen gelten die Einheiten, denen es gelingt, ihre Einnahmen stärker zu steigern als ihren Aufwand.

Mit dem Ergebnis, dass sich die Vergütung erbrachter Leistungen bei einem solchen Modell "an den besonders wirtschaftlich arbeitenden Praxen orientieren" würde und eben nicht mehr an der Durchschnittspraxis, wie die Studienautoren selbst schreiben.

Die beiden Fachgruppen, bei denen die höchsten Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben sind, wären nach dem Benchmark die Allgemeinärzte und Internisten.

Bei den Allgemeinärzten sollen so im Median (Mittelwert der Vergleichspraxen) 259 Millionen und bei einer Orientierung an den zweitwirtschaftlichsten Praxen gar 539 Millionen Euro durch eine andere Arbeitsweise und Praxisstruktur herauszuholen sein.

Bei den Internisten liegen die entsprechenden Werte bei 224 Millionen (Median) und 468 Millionen Euro (zweitwirtschaftlichste Praxen).

Ein Schlag für Versorgerpraxen

Sonderfall Internisten

Keine Differenzierung: Die Prognos-Studie wirft bei den Internisten alle Schwerpunkte in einen Topf. Obwohl es sich hier um eine extrem heterogene Fachgruppe handelt, werden also Gastroenterologen, Onkologen, Kardiologen, Nephrologen, hausärztlich tätige Internisten usw. nicht getrennt bewertet.

Unwirtschaftlich mit Einnahmen von 450.000 Euro: Die Praxen mit den zweit-höchsten bereinigten Einnahmen von immerhin im Schnitt 457 196 Euro weisen dadurch die höchsten Aufwendungen (im Schnitt 343.655 Euro) auf – und sind am unwirtschaftlichsten.

Hoher Materialaufwand: Vor allem die Materialaufwendungen belasten die internistischen Praxen mit „sehr niedriger“ Wirtschaftlichkeit. Sie müssen dafür 63.301 Euro aufbringen, während die wirtschaftlichsten Praxen nur 7455 Euro an Materialkosten aufweisen. Auch bei den Mieten liegen die unwirtschaftlichsten Praxen rund 15 000 Euro höher.

Doch gerade bei den Allgemeinärzten zeigt sich, dass das Wirtschaftlichkeitsprinzip vor allem auf Kosten der Versorgerpraxen ginge. Denn hier hängt der Unterschied der Wirtschaftlichkeit der Praxen allein an der Höhe der bereinigten Einnahmen (siehe Grafik): Während es bei der Summe der Aufwendungen zwischen den Praxen mit niedriger Wirtschaftlichkeit (134.953 Euro) und denen mit sehr hoher Wirtschaftlichkeit (133.342 Euro) kaum Differenz gibt, liegen die bereinigten Einnahmen der Praxen gut 130.000 Euro auseinander (243.201 Euro versus 370.808 Euro).

Noch deutlicher ist die Differenz beim bereinigten Reinertrag je Praxisinhaber, der liegt bei den wirtschaftlichsten Praxen fast doppelt so hoch (174.920) wie bei den Praxen mit niedriger Wirtschaftlichkeit (91.434 Euro) und 3,6 mal so hoch wie bei den Praxen mit sehr niedriger Wirtschaftlichkeit (47.520 Euro).

Dabei sind 30 Prozent der Praxen mit den höchsten Einnahmen und geringsten Aufwendungen in den neuen Bundesländern und damit den eher unterversorgten Regionen angesiedelt.

Regionale Besonderheiten unberücksichtigt

Ein Indiz, dass es sich bei den besonders wirtschaftlichen Praxen unter den Allgemeinärzten um große Versorgereinheiten im ländlicheren Raum handelt, ist auch, dass sie deutlich niedrigere Aufwendungen für Löhne und Mieten haben.

Doch eben hierin liegt das Manko der Studie - was übrigens von den Studienautoren selbst angeführt wird: Die Daten der Kostenstrukturanalyse machen es unmöglich nach regionalen Besonderheiten, Stadt- und Landpraxis sowie dem Patientenzulauf der verschiedenen Praxen zu unterscheiden.

Und auch die eingesetzte Arbeitszeit der Praxisinhaber wird in keinerlei Weise berücksichtigt - gerade in Regionen mit geringer Versorgungsdichte dürfte diese aber sehr hoch sein - und würde mit einem sinkenden Orientierungswert, den die Studienautoren vorschlagen, nicht mehr angemessen honoriert.

Immerhin schwebt den Urhebern der Prognos-Studie aber das Hilfsmittel der durchs SGB begründeten Zuschläge für unterversorgte Regionen vor. Auch, damit dort unwirtschaftliche Praxen nicht schließen müssten und sich die Versorgungssituation dadurch noch mehr verschärfen würde.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: "Wissenschaft" mit gezinkten Karten

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 20.08.201412:57 Uhr

Millionen Euro mit überflüssigen PROGNOS-Gutachten einsparen?

Warum fragt eigentlich niemand den GKV-Spitzenverband Bund (SpiBu) der GKV-Kassen, wie viele Millionen Euro er mit völlig überflüssigen oder grob irreführenden PROGNOS-Gutachten schon zum Fenster hinaus geschmissen hat? Das SpiBu Spitzengespann Frau Dr. Doris Pfeiffer/Magnus von Stackelberg würde spitzbübisch darauf hinweisen, dass dies wegen der Klimaanlagen bedingt fest verschlossenen Bürofenster gar nicht möglich sei.

PROGNOS, der Schweizer Wirtschafts- und Beratungsinstitution mit globalem Kompetenz- und Logistik-Anspruch, mangelt es e n t s c h e i d e n d an medizinischem Grundlagenwissen, Basis-Erkenntnissen medizinischer Versorgungsforschung und grundlegenden Kenntnissen von medizinischer Soziologie, Sozialmedizin und medizinischer Psychologie.

Vergleichbar mit der Autoindustrie wird an Stück- und Fallzahlen, dem operativen Geschäft und der Gesamtbilanz gefeilt, um mit PARETO-Prinzipien (mit 50 Prozent Aufwand 80 Prozent der Anforderungen erfüllen, die restlichen 20 Prozent einfach weglassen) die Kosten zu verschlanken ("lean management").

Warum ich mir da so sicher bin? 2012 wedelte Freiherr Johann-Magnus von Stackelberg als stellvertretender SpiBu-Vorstand mit einem untauglichen PROGNOS-Gutachten, um K ü r z u n g e n des bundesweiten Orientierung-Punktwertes um M i n u s 7 Prozent bei allen Vertragsärzten und -Psychotherapeuten durchzusetzen. Dagegen stand eine betriebswirtschaftlich begründete Forderung von Plus 11 Prozent seitens der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Vgl. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/51267
und
http://www.springermedizin.de/prognos-gutachten-seltsame-zahlen-tollkuehne-ableitungen/3187080.html mit dem Titel: "Prognos-Gutachten: Seltsame Zahlen, tollkühne Ableitungen" ... "Das vom GKV-Spitzenverband der Krankenkassen in Auftrag gegebene Prognos-Gutachten, das eine Punktwert a b s e n k u n g bei den gegenwärtigen EBM-Honorarverhandlungen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) einläuten soll, ist in seinen Grundannahmen tendenziös bis manipulativ. Das Prognos-Gutachten von Dr. Ronny Wölbing und Mitarbeitern widerspricht in seinem Tenor dem sozialgesetzlichen Auftrag des GKV-Spitzenverbands"...

In der von ÄZ-Autorin Rebekka Höhl hervorragend referierten, aber wie gewohnt Medizin-bildungsfern-aktuellen PROGNOS-Studie bleibt der Gesamtbereich der Medizin ausgeklammert. Die spezifisch ärztliche Beratung, Untersuchung, Differenzialdiagnostik und konservative/interventionelle Therapie bleiben außen vor. Denn unsere Profession lässt sich nicht allein in Prozess-, Ablauf- und Ergebnisqualität optimieren, rationieren und technisieren.

Die Tätigkeit des Arztes ist a priori unwirtschaftlich, weil sie mit überwiegend unbeeinflussbaren Stellgrößen operieren muss. Gesundheitsschädigendes u n d krankheitsförderndes Patientenverhalten bleibt unreflektiert und durch ordnungspolitischen Einfluss- und Stellgrößen unerreichbar. Hinzu kommen Ängste, Verdrängung, Vermeidungs- und Übersprungs-Handlungen bei Patienten u n d Ärzten bzw. Redundanzen und Reibungsverluste.

Ganz praktisch: Vorgestern kommt an meinem ersten Arbeitstag nach 3-wöchigem Abenteuer- und Wanderurlaub in Iceland und Alaska ein langjähriger Patient mit eingestelltem Hypertonus, Schlaf-Apnoe und Adipositas zu mir und berichtet, vor 3 Wochen zu Hause(!) über einen Wäschekorb gestürzt zu sein. Erstversorgung orthopädisch mit Rö-Schädel. Diagnose V. a. Commotio cerebri. Seitdem Leistungsknick, schlurfender Gang re-betont, diskrete Koordinationsstörungen, Zittrigkeit re. Meine Vertretungskollegen werten dies als Commotio-Folgen; von der Arbeit wird der Pat. Montagmittag zu mir geschickt. Eigentlich ungewöhnlicher, atypischer Sturz: Zu Hause fällt man nicht einfache so über einen Wäschekorb (auch wenn ein "Promi" schon mal in eine Wäschekammer mit bekannten Spätfolgen fiel). In der Regel fängt man sich zu Hause in gewohnter Umgebung dann auch ab. Als

Dr. Richard Barabasch 20.08.201411:52 Uhr

Wenn"Futter " vergiftet ist

"Wissenschaft mit gezinkten Karten" ist eben keine Wissen-Schaft, sondern Lobby-ismus mit verquerer Motivation. Nett, dass die Autoren sogar selber ihre Schrott-Produktion noch andeutungsweise bemerken. Dass sie dennoch diese Arbeit nicht dahin schleudern, wo sie hin gehört, nämlich in die Müllpresse, zeigt ihre Absicht, die verstimmt: Stimmungsmache ohen jedweden Anflug von Seriosität, nur Spielwiese vin Datenmanipulationen ohne Real-Bezug,
meint
R.B.

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