Ärzte sind die Vermittler für Telemedizin

In Deutschland tut sich einiges in Sachen Telemedizin. Aber: Nur mit Hilfe niedergelassener Ärzte können entsprechende Anwendungen in der Versorgungsstruktur implementiert werden. Deshalb werben Fachleute um mehr Kooperation.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

ESSEN. In Deutschland passiert viel, wenn es um Forschung und Entwicklung zu telemedizinischen Anwendungen geht, die Ergebnisse kommen in der Versorgung aber nur zögerlich an.

Ein wesentlicher Grund dafür ist die Tatsache, dass viele Ärzte der Telemedizin skeptisch gegenüberstehen, glaubt Dr. Heinrich Körtke, selbst Mediziner und Leiter des Instituts für angewandte Telemedizin im Herz-und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen.

"Die Ärzteschaft ist der größte Gegner, der uns hindert, Telemedizin umzusetzen", sagte Körtke auf dem "Gesundheitskongress des Westens" in Essen. Viele hätten Angst, dass sie durch den Einsatz von Telemedizin Patienten verlieren. Deshalb müsse man Wege finden, die Ärzte dazu zu bringen, die Anwendungen als Konsiliarleistungen wie Röntgenaufnahmen zu sehen.

"Wir müssen die Telemedizin in den Universitäten und der ärztlichen Fort- und Weiterbildung etablieren", forderte er. Ohne den Arzt als Vermittler werde es nicht gelingen, die Telemedizin als neue Versorgungsstruktur zu implementieren.

Nach Einschätzung von Professor Martin Gersch vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin verhindert eine Reihe weiterer Faktoren die Verbreitung der telemedizinischen Anwendungen. Er hat verschiedene Untersuchungen zum Thema erstellt.

Dabei habe sich gezeigt, dass es bei vielen Projekten offenbar "Beutegemeinschaften" darum gehe, Forschungsgelder zu gewinnen, und nicht darum, auf Basis einer Geschäftsidee marktgängige Modelle zu entwickeln. "Dieser Verdacht kommt bei einigen Konsortien auf, die wir gesehen haben", sagte Gersch.

Das Fehlen eines tragfähigen Geschäftsmodells sieht der Ökonom als ein entscheidendes Hindernis für den Eingang in die Regelversorgung. Oft trügen die Anbieter den besonderen Investitions- und Finanzierungsbedingungen im Gesundheitswesen keine Rechnung, berichtete er.

Ein weiteres Hindernis liege in den rechtlichen Unsicherheiten. "Sie müssen ein solches Projekt auf viele Jahre anlegen, haben aber alle zwei Jahre eine Gesundheitsreform", sagte Gersch. Die fehlende Standardisierung und Interoperabilität der Anwendungen komme erschwerend hinzu.

Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT) an der Fachhochschule Gelsenkirchen, schätzt die Perspektiven für die Telemedizin deutlich positiver ein als Gersch. "Es gibt Licht am Ende des Tunnels", sagte er.

Schließlich gebe es seit Januar 2011 für das neurologische Telekonsil erstmals eine OPS-Ziffer für die Abrechnung. "Der Prozess hat begonnen", sagte Hilbert. Offensichtlich sei ein langer Atem notwendig.

Das IAT hat eine Telemedizin-Landkarte entwickelt. Insgesamt 259 Projekte und Dienste aus den Bereichen Telemedizin und altersgerechter Assistenzsysteme (ambient assisted living) haben die Wissenschaftler in Deutschland gefunden.

Die regionalen Schwerpunkte liegen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Haupteinsatzgebiet ist die Kardiologie.

Bei den Patienten kommt erst ein Teil der Anwendungen an. Deshalb seien weitere anspruchsvolle medizinische Studien wie "Partnership for the heart" notwendig, die die Wirksamkeit belegen, sagte Hilbert. "Da muss noch mehr kommen, damit man überzeugender auftreten kann."

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