Ärzte trifft die Umsatzsteuerpflicht jetzt öfter

Die Kleinunternehmerregelung sollte Ärzte weitgehend vor der Umsatzsteuer schützen. Doch das zum Jahreswechsel ausgeweitete Reverse-Charge-Verfahren macht vielen einen Strich durch die Rechnung.

Von Dagmar Kayser-Passmann Veröffentlicht:
Die Steuer fällt nicht nur bei Leistungen an.

Die Steuer fällt nicht nur bei Leistungen an.

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UNNA. Wer als Steuerberater einen Arzt fragt, ob er Umsatzsteuererklärungen abgibt, erntet in aller Regel einen fragenden Blick. Umsatzsteuer? Ich bin doch Freiberufler - denkt's und schaut ein wenig mitleidig auf den scheinbar Unwissenden.

Umsatzsteuer ist schon lange ein Thema, das gern verdrängt wird. Vergessen ist die Photovoltaikanlage auf dem Dach des eigenen Hauses, vergessen sind Steuersparmodelle wie ein NATO-Haus und auch die zahllosen Bescheinigungen und Bestätigungen für Schule, Kindergarten und andere Behörden sowie Gutachten für Rentenkassen oder die Berufsgenossenschaft.

Alle diese Tätigkeiten sind Leistungen des Unternehmens Arztpraxis, die mit der originär heilberuflichen Tätigkeit nichts zu tun haben und damit auch grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig sind.

Hinzu kommen neue Aufgabengebiete wie Kurse zur Raucherentwöhnung, zur Körpergesundheit für Adipositas-Patienten und vieles andere mehr. Es gibt durchaus viele individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die nach den Buchstaben des Gesetzes nicht originär der Vorbeugung, Diagnose, Heilung oder Linderung von Leiden dienen und damit generell der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.

Kleinunternehmergrenze ist schnell gesprengt

Alle diese Leistungen reichen häufig aus, um die so genannte Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro zu sprengen. Wir erinnern uns: wer im Kalenderjahr für nicht mehr als 17.500 Euro eigentlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, wird vom Gesetzgeber verschont, braucht keine Umsatzsteuererklärung abzugeben - und auch keine Umsatzsteuern abzuführen.

Diese Regel ist auch noch gültig. Allerdings hat sich zum 1. Januar dieses Jahres etwas anderes gravierend geändert: Auch wer diese Grenze von 17.500 Euro unterschreitet, kann unter Umständen gezwungen werden, eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und Umsatzsteuern abzuführen. Quelle des Ungemachs ist das so genannte Reverse-Charge-Verfahren, das zum Jahreswechsel auf bestimmte Branchen ausgeweitet wurde.

Reverse-Charge bedeutet Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Damit muss unter bestimmten Voraussetzungen der Käufer einer Ware oder Dienstleistung die Mehrwertsteuer für die an ihn erbrachte Leistung direkt an das Finanzamt abführen.

Die Steuerschuldnerschaft wird einfach umgekehrt

Betroffen sind etwa Ärzte, die entweder im EU-Ausland medizinische Datenbanken nutzen oder Geräte einkaufen oder im In- oder EU-Ausland Gold einer bestimmten Beschaffenheit einkaufen oder im In- oder EU-Ausland konservative Röntgengeräte einsetzen, deren Abfälle Edelmetallverbindungen enthalten.

Da diese Waren oder Dienstleistungen für die Arztpraxis geliefert bzw. erbracht werden, sind diese Leistungen in Deutschland umsatzsteuerpflichtig! Der ausländische Unternehmer/Dienstleister erstellt eine Rechnung, die nur den Nettobetrag ausweisen darf. Außerdem muss er auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweisen und darf auch nur den Nettobetrag verlangen.

Der Arzt muss als Käufer die Umsatzsteuer abführen

Der Arzt als Empfänger der Leistung in Deutschland darf nur den Nettobetrag an seinen Lieferanten begleichen und muss die anfallende Mehrwertsteuer berechnen und direkt an das Finanzamt abführen.

Wenn der Arzt zum Beispiel das Gerät oder die Dienstleitung für die Erbringung steuerpflichtiger Umsätze erhalten hat, kann er in derselben Umsatzsteuervoranmeldung diese Umsatzsteuer wieder als Vorsteuer geltend machen. Das ist allerdings nur selten der Fall. Ziel der Regelung ist letztlich die Sicherung der Steueransprüche des Fiskus und die Erleichterung des Besteuerungsverfahrens, da sich die im Ausland ansässigen Unternehmer in diesen Fällen meist nicht im Inland für Steuerzwecke erfassen lassen müssen.

Fazit ist jedoch auf jeden Fall, dass nicht jeder Unternehmer diese Regelung als Erleichterung wahrnehmen wird, zumal dann nicht, wenn er bisher - wie viele Ärzte - als Kleinunternehmer nichts mit dem Thema Umsatzsteuern zu tun hatte.

Dagmar Kayser-Passmann ist Diplom-Finanzwirtin und Steuerberaterin in Unna.

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