Urteil

Altenpflegerin wegen Vergewaltigung verurteilt

Das Urteil lässt Rufe nach einem offensiveren Umgang mit sexueller Gewalt in Heimen laut werden.

Veröffentlicht:

Ulm. Das Landgericht in Ulm hat am Montag eine Altenpflegerin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagte wurde unter anderem der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs, jeweils unter Ausnutzung des Betreuungsverhältnisses, an zwei demenzkranken Frauen in einem Heim im Kreis Göppingen für schuldig gesprochen. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden. Unter anderem ist die Verurteilte nach Angaben eines Gerichtssprechers gewaltsam mit dem Finger in den Scheidenvorhof eines ihrer Opfer eingedrungen. Von ihren Taten hat die Altenpflegerin Bild- und Videoaufnahmen gemacht und diese an eine Online-Bekanntschaft weitergeleitet. Zu der Online-Bekanntschaft habe eine „emotionale Abhängigkeit“ bestanden, wie der Sprecher weiter erläutert. Demnach ist der Mann gegenüber der Verurteilten „sehr bestimmend aufgetreten“ und hat sie zu den Taten verleitet. Sie habe „kein eigenes Interesse“ an den sexuellen Handlungen gehabt. Die beiden Opfer wurden in dem Verfahren nicht als Zeugen vernommen. Sie seien aufgrund ihrer Demenz völlig hilflos gewesen, hatte die Staatsanwaltschaft bei Prozessauftakt im September betont. Die Pflegerin wurde zudem wegen des Besitzes kinderpornografischen Materials in vier Fällen verurteilt, das sie von ihrer Online-Bekanntschaft erhalten hat. Das Verfahren gegen die Online-Bekanntschaft steht noch aus.

Gewalt in der Pflege ist keine Seltenheit. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung geben rund 11 Prozent der Befragten an, Gewalt von Pflegenden an Patienten oder Pflegebedürftigen beobachtet zu haben. Nach Überzeugung des Pflegewissenschaftlers Johannes Nau sollten Senioren- und Pflegeheime offensiv mit dem Thema umgehen, um Missbrauchsfälle zu verhindern. „Alle Heime brauchen ein Schutzkonzept, klare Regeln und Fortbildung für ihre Mitarbeiter, sodass Exzesse wie der in Ulm verhandelte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zahlen zu dem schambehafteten Thema gebe es nicht. „Nur ein Bruchteil der Fälle wird überhaupt bekannt. Wir müssen das Thema aus der Tabu-Ecke rausholen.“

Heimträger, die von sich aus das Thema Gewalt gegen Bewohner angingen, setzten sich schnell dem Verdacht aus, es gebe dort Probleme, sagte Nau. Deshalb müssten Land oder Bund Auflagen für einen adäquaten Umgang mit dem Thema und eine angemessene Aufarbeitung von Übergriffen erlassen. „Dann hat kein Heim den Schwarzen Peter.“ Die Heimleitungen müssten ihre Haltung gegenüber Übergriffen und sexueller Belästigung öffentlich vertreten und klarmachen, dass solches Verhalten absolut inakzeptabel sei. Respektvoller Umgang müsse das Maß aller Dinge sein. Das Personal sollte in der Lage sein, Wahrnehmungen wie unerklärliche blaue Flecken beim Bewohner anzusprechen und diesen zu ermuntern, seine Scham zu überwinden.

In die Ausbildung werde das Thema Gewalt in der Pflege erstmals mit dem Rahmenlehrplan 2020 für die neue generalistische Ausbildung für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege integriert. (mu/dpa)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
KI-Einsatz mit Robotern im Krankenhaus oder in der ambulanten Pflege? In Deutschland noch schwer vorstellbar. Aber vielleicht ist das dieZukunft. Ein Feld auch für die Geldanlage.

© sirisakboakaew / stock.adobe.com

Interview zum Thema Geldanlage

KI für Anleger: „Ich sollte verstehen, in was ich investiere“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Deutscher Apotheker- und Ärztebank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Umfrage beim Ärztetag: Welche KI-gestützten Systeme nutzen Sie?

Lesetipps
Der 128. Deutsche Ärztetag findet von 07. bis 10. Mai in Mainz statt.

© Christian Glawe-Griebel/helliwood.com

Themenseite

Alle Berichte vom Ärztetag im Überblick