Apotheker dürfen ködern

Geschenke für Rezept-Arzneien: Dem widerspricht eigentlich die Arzneimittelpreisbindung. Dennoch dürfen Apotheker Boni abgeben, hat jetzt erneut ein Gericht geurteilt.

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Treuepunkte und Taschentücher: In kleinen Beträgen möglich.

Treuepunkte und Taschentücher: In kleinen Beträgen möglich.

© Illian

BRAUNSCHWEIG (mwo). Apotheker dürfen ihre Kunden mit "Talern" oder anderen geringwertigen Boni locken.

So hat es das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig entschieden und genehmigte "Apotheken-Taler" im Wert von 50 Cent je Rezept, auch für verschreibungspflichtige Arznei.

Bei "geringwertigen Kleinigkeiten" unterhalb der "wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeitsschwelle" sei der geringfügige Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung hinzunehmen.

Im konkreten Fall siegte ein Apotheker in Niedersachsen. Er hatte in seiner Hauptapotheke sowie zwei Filialen die Apotheken-Taler zunächst für Einkäufe frei verkäuflicher Waren über zehn Euro abgegeben, später auch für die Einlösung von Rezepten mit verschreibungspflichtiger Arznei.

Die Taler im Wert von 50 Cent pro Stück konnten gesammelt und dann in den eigenen Apotheken oder auch bei Kooperationspartnern, etwa einer Eisdiele, eingelöst werden.

Schon im September 2010 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) wettbewerbsrechtlich entschieden, dass Apotheken an ihre Kunden geringwertige Geschenke bis zu einem Euro abgeben dürfen (Az.: I ZR 26/09 und I ZR 125/08).

Nach Meinung der Apothekenkammer Niedersachsen sollte dies aber nicht für den Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gelten.

Ermessensentscheidung

Für diese bestehe nämliche eine Preisbindung, so deren Begründung. Daher untersagte die Kammer, Apotheken-Taler abzugeben, und drohte ein Zwangsgeld von 10.000 Euro an.

Im Eilverfahren setzte dann das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg die Entscheidung der Apothekenkammer im Juli 2011 vorerst aus (Az.: 13 ME 111/11). Diese Entscheidung bestätigte nun das VG Braunschweig und gab dem Apotheker auch im Hauptverfahren Recht.

Zwar liege ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung vor, stimmte das Verwaltungsgericht der Apothekenkammer zu. Denn die Taler seien letztlich auch eine Art Rabatt.

Einen Bagatellvorbehalt gebe es bei den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung nicht.

Über ein Verbot müsse die Apothekenkammer in einer "Ermessensentscheidung" befinden, sagten die Braunschweiger Richter weiter. Dazu müssten verschiedene Gesichtspunkte und Belange im konkreten Fall abgewogen werden.

Der Preisbindung stehe hier die vom Bundesgerichtshof eingeräumte unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Apothekers gegenüber.

Im Streitfall des niedersächsischen Apothekers wiege diese schwerer. Bei einem Wert der Taler "von nur 0,50 Euro" sei ein Verbot unverhältnismäßig.

Allerdings komme es nicht nur auf den Wert der einzelnen Geschenke an, betonten die Richter des Verwaltungsgerichts. Vielmehr müsse immer der Wert der Boni in ihrer Summe berücksichtigt werden.

Ein Apotheken-Taler im Wert von 50 Cent je eingelöstes Rezept sei danach aber nicht zu beanstanden, hieß es bei der Urteilsverkündung.

Az.: 5 A 34/11>

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