Urteil
Arzt muss Pranger dulden
Sollen Urteile im Ärzteblatt veröffentlicht werden dürfen, in denen der vollständige Namen des Verurteilten steht? Ein Arzt aus NRW meint: nein. Das Bundesverfassungsgericht sieht das jedoch anders.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Nach herausgehobenen Verstößen gegen Abrechnungsvorschriften müssen Ärzte damit rechnen, dass ihr voller Name im Ärzteblatt ihrer Kammer erscheint. Entsprechende Regelungen in Nordrhein-Westfalen sind nicht verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss entschied.
Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Facharzt für innere Medizin in einer Gemeinschaftspraxis im Raum Köln. Zudem ist er gesundheitspolitisch in einer Partei, einer Ärztevereinigung sowie im Kreisvorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein aktiv.
Die Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) warf ihm vor, Privatpatienten Rechnungen gestellt zu haben, die gegen die hier verwendete Gebührenordnung für Ärzte verstoßen. Konkret habe er den Begriff "Sitzung" entgegen dem üblichen Wortverständnis so ausgelegt, dass er Ultraschall-Leistungen auch für Tage in Rechnung stellen konnte, an denen die Patienten gar nicht in der Praxis waren.
Später hatte er diese Rechnungen dahin korrigiert, dass für einen Praxisbesuch mehrere Ultraschalluntersuchungen als jeweils "neuer Behandlungsfall, neue Sitzung" berechnet wurden.
Das Berufsgericht für Heilberufe in Köln sah hierin einen Verstoß gegen die Berufspflichten des Arztes. Es entzog dem Internisten das passive Berufswahlrecht für Posten in der Ärztekammer und verhängte eine Geldbuße von 25.000 Euro.
Gestützt auf das nordrhein-westfälische Heilberufsgesetz ordnete das Berufsgericht zudem an, dass sein Urteil nicht anonymisiert im Ärzteblatt der Ärztekammer Nordrhein veröffentlicht werden soll. Das Landesberufsgericht für Heilberufe in Münster setzte die Geldbuße auf 20.000 Euro herab, hat die Sanktionen ansonsten aber bestätigt.
Gericht nahm Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wollte der Arzt erreichen, dass die Ärztekammer das Urteil nicht veröffentlichen darf. Das Bundesverfassungsgericht wies dies ab und nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an.
Die landesgesetzliche Regelung sei klar und ausreichend bestimmt, erklärten die Karlsruher Richter zur Begründung. Der Arzt könne sich auch nicht damit herausreden, dass es verschiedene Auffassungen zum Begriff "Sitzung" gegeben habe. "Schon angesichts der Alltagsbedeutung des Begriffs" habe der Internist mit Sanktionen zumindest rechnen müssen.
Auch das Persönlichkeitsrecht des Arztes sei nicht verletzt. Der Eingriff in dieses Grundrecht sei durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt.
Das gelte etwa für die "Gemeinschaft der Versicherten", die gegebenenfalls die überhöhten Kosten tragen müsse. Andere Ärzte könnten "sodann ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung steuern".
Die nicht anonymisierte Veröffentlichung berufsgerichtlicher Urteile sei daher jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, "wenn es sich um vereinzelte, herausgehobene Fälle handelt" und wenn "die Veröffentlichung nur in einem berufsrechtlichen Medium und einmalig erfolgt".
Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Arzt habe systematisch versucht, die Vorschriften der Gebührenordnung zu umgehen. (mwo)
Az.: 1 BvR 1128/13 (Bundesverfassungsgericht) und 6t A 1843/10.T (OVG Nordrhein-Westfalen)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Drastischer Einzelfall