Lob und Kritik für Lauterbachs Pläne
Psychotherapeuten zur Digitalisierungsstrategie: „Bloße Zielvorstellungen“
Lauterbachs „Turbo-Schub“ für die elektronische Patientenakte wird kontrovers diskutiert. Die Psychotherapeuten wollen eingebunden werden. Ein IT-Verband verweist auf mögliche Widersprüche in den Nutzerrechten.
Veröffentlicht:Berlin. Die am Donnerstag vorgestellte Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen kommt aus Sicht der Bundespsychotherapeutenkammer über „Gemeinplätze und bloße Zielvorstellungen“ nicht hinaus. „Gerade weil wir das Ziel einer weiteren Verbesserung der Versorgung teilen, sind wir enttäuscht, dass erneut die Chance verpasst wurde, tragfähige Rahmenvorgaben für die Umsetzung der Digitalisierung zu setzen“, sagte Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz am Freitag.
Zwei Gesetze angekündigt
So will Lauterbach der Digitalisierung in Praxen einen kräftigen Schub geben
Es fehle jedwede Aussage dazu, welche Daten auf welchen Wegen in die elektronische Patientenakte (ePA) gelangen sollen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Psychotherapeutinnen und -therapeuten sei dies jedoch von zentraler Bedeutung. Wenn künftig jeder Mensch schon ab Geburt eine ePA haben solle, müssten die Zugriffsrechte von Kindern, Jugendlichen und Eltern geklärt sein. Dies werde in der Strategie bislang nicht einmal erwähnt, so Munz.
Gesundheitsministerium will gematik komplett schlucken
Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach hatte am Donnerstag einen Zeitplan unter anderem für eine flächendeckende Verbreitung der elektronischen Patientenakte vorgelegt, von der er sich einen „Turbo-Schub“ für die Digitalisierung des Gesundheitswesens erwartet. Hauptelemente sind der Wechsel zur Opt out-Regelung bei der elektronischen Patientenakte und die Öffnung eines Zugangs zu Gesundheits- und Pflegedaten für die Forschung.
„Die Hoffnung, mit Hilfe der ePA umfangreiche und vor allem verlässliche Daten für die Forschung und Versorgungssteuerung zu generieren, wird sich zerschlagen, wenn die ePA von Patientinnen und Patienten nicht als nützliches, einfach zu handhabendes und vertrauenswürdiges Instrument akzeptiert wird“, kommentierte Munz das Vorhaben.
Die Bundespsychotherapeutenkammer fordere, bei der Umsetzung der Strategie auch die Bundespsychotherapeutenschaft einzubeziehen. Zudem erneuerte die BPtK ihre Forderung, endlich in den Kreis der Gesellschafter der gematik aufgenommen zu werden. Lauterbach hatte am Donnerstag angekündigt, die gematik vollständig übernehmen zu wollen. Derzeit hält der Bund 51 Prozent an der Gesellschaft.
bvitg: Verschreiber brauchen Einblick in Medikationsplan
Beim Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) weckt die Übernahme der gematik durch das Bundesgesundheitsministerium Hoffnung auf „eine strukturiertere und transparentere Arbeitsweise“. Im Idealfall könnten Entscheidungen schneller fallen und alle beteiligten Player in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.
Offen bleibe, wie der digitale Medikationsplan in die elektronische Patientenakte integriert werden solle. Die Medikationsübersicht müsse verpflichtend allen Behandlern zur Verfügung stehen können, die auch verschreiben, so der bvitg. Ausweislich der Regierungspläne sollen Nutzer allerdings Ärzten auch den Zugriff auf ihre Daten verweigern können. Hier ergäbe sich also möglicherweise ein Widerspruch.
Kritik aus der Selbstverwaltung
KBV-Vorstände: Lauterbachs Digitalziele „erkennbar unrealistisch“
Der Bundesverband Managed Care (BMC) lobte an der Strategie den Perspektivwechsel weg von technologischen Fragen hin zu nutzenstiftenden Anwendungen für alle im Gesundheitswesen.
Vor allem die vom Gesundheitsministerium angekündigten digitalen DMP bärgen immenses Potenzial für eine qualitativ bessere und effizientere Versorgung der 7,8 Millionen in DMP eingeschriebenen Menschen, sagte der BMC-Vorstandsvorsitzende Professor Lutz Hager. Die geplante Gleichberechtigung digitaler und analoger Versorgungsprozesse werde einen Entwicklungsschub für digitale und hybride Versorgungslösungen auslösen. (af)