Besondere Versorgung

BSG billigt Ausweitung ambulanter Operationen durch Selektivverträge

Das Bundessozialgericht sieht für 140a-Verträge einen weiten Spielraum. Das betrifft sowohl Honorar- und Abrechnungsmodalitäten als auch den Umfang ambulant erbringbarer Leistungen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Was nicht passt, darf passend gemacht werden: Den Partnern besonderer Versorgungsverträge nach 140a SGB V räumt das Bundessozialgericht viele Freiheiten ein.

Was nicht passt, darf passend gemacht werden: Den Partnern besonderer Versorgungsverträge nach 140a SGB V räumt das Bundessozialgericht viele Freiheiten ein.

© Yurok Aleksandrovich / stock.adobe.com

Kassel. Ärzte haben gemeinsam mit den Krankenkassen einen weiten Spielraum für Selektivverträge der sogenannten „besonderen Versorgung“ nach Paragraf 140a SGB V. Zulässig sind hier nicht nur Abweichungen von den Vergütungsregelungen, sondern auch vom Leistungsumfang des EBM, urteilte jetzt der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts.

Damit bestätigten das BSG einen solchen Vertrag der Bahn-BKK. Dessen Schwerpunkt ist eine Ausweitung ambulanter Operationen. Einen Katalog bestimmter Eingriffe, die in der Regelversorgung bislang stationär erfolgen, können beteiligte Ärzte danach auch ambulant anbieten, wenn sie dies für medizinisch sinnvoll halten. Beispiele sind „Eingriffe an Handgelenk oder Hand ohne komplexe oder mäßig komplexe Eingriffe“ oder einfachere Eingriffe an der Harnblase. Ambulante Op seien nicht nur kostensparend, sondern oft auch für die Versicherten attraktiv und hier zudem freiwillig, so die Kasse.

Verlagern erwünscht

Das Bundesversicherungsamt (heute „Bundesamt für Soziale Sicherung“) warf der Bahn-BKK vor, sie habe neue Leistungen „erfunden“. Dies lasse das Gesetz nicht zu. Die BKK müsse den Vertrag daher kündigen. Dementgegen argumentierte die Bahn-BKK, es würden lediglich bestehende stationäre Leistungen in den ambulanten Sektor verschoben. Dies sei vom gewollt weiten Spielraum für Verträge der besonderen Versorgung gedeckt.

Dem ist das BSG nun gefolgt. Den aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheid zur Kündigung des Vertrags hoben die Kasseler Richter damit auf. „Dass nach dem von der Klägerin geschlossenen Vertrag über eine besondere Versorgung Operationen ambulant durchgeführt werden können, die in der Regelversorgung nur stationär durchgeführt werden könnten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.“

Danach besteht für solche Verträge ein sehr weiter Spielraum. Er erlaube Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (Drittes Kapitel SGB V) und auch von den Vorgaben für die Beziehungen zwischen Kassen und Leistungserbringern (Viertes Kapitel SGB V).

Wichtig für Ärzte: Das umfasst auch den EBM – und zwar neben den darin enthaltenen Vergütungsregelungen auch dessen Funktion als Leistungskatalog. Dazu das BSG: „Die Vereinbarung eigenständiger Vergütungsstrukturen und der Verzicht auf die Vorgaben des EBM ist wesentlicher Teil des Gestaltungsspielraums der Partner eines Vertrages nach Paragraf 140a SGB V.“

Vertragsarzt-Zulassung limitiert Leistungsspektrum nicht

Die Möglichkeit, Operationen in weiterem Umfang als in der Regelversorgung ambulant durchzuführen, sei davon nicht nur gedeckt, sondern entspreche sogar dem Ziel des Gesetzgebers, „die Entwicklung abweichender Versorgungsstrukturen zu ermöglichen und so Impulse für die Fortentwicklung der Regelversorgung zu geben“. Gerade bei ambulanten Operationen habe es Kritik gegeben, dass Deutschland anderen Ländern weit hinterherhinke.

Auch die Kritik, teilnehmende Ärzte würden die Kompetenzen ihrer Zulassung überschreiten, hatte vor dem BSG-Vertragsarztsenat keinen Bestand. „Die vertragsärztliche Zulassung ist grundsätzlich Voraussetzung für die Erbringung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen, sie legt aber nicht die erbringbaren beziehungsweise abrechenbaren Leistungen fest“, stellten die Richter klar. Dabei sei es auch zulässig, dass Ärzte die Infrastruktur eines Krankenhauses nutzen.

Bundessozialgericht, Az.: B 6 A 1/20 R

Mehr zum Thema

Probleme mit Keimen

Kritik an Bremer Klinikum wegen Reinigungsmängeln

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen