Vorbildlich?

Das Silberstedt-MVZ

Ambulante Versorgung wird im ländlichen Raum zunehmend in Zentren geleistet. Eine kleine Gemeinde in Schleswig-Holstein ist Vorreiter – und versorgt sein Umland via MVZ.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ziehen für das neue Gesundheitszentrum an einem Strang: Ärztin Dr. Christiane Schmitz-Boje, Laura Löffler von der Ärztegenossenschaft Nord, Bürgermeister Peter Johannsen und die Ärzte Wolfgang Schulz und Hans Christian Brall.

Ziehen für das neue Gesundheitszentrum an einem Strang: Ärztin Dr. Christiane Schmitz-Boje, Laura Löffler von der Ärztegenossenschaft Nord, Bürgermeister Peter Johannsen und die Ärzte Wolfgang Schulz und Hans Christian Brall.

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SILBERSTEDT. Ambulante Versorgung auf dem Land wird zunehmend in Zentren, statt in Einzelpraxen geleistet – diese Voraussage wird seit einigen Jahren von Experten getroffen. In der Realität gestaltet sich dieser Wandel nur langsam und scheitert in vielen Fällen an unterschiedlichen Einzelinteressen.

Die 2000 Einwohner kleine Gemeinde Silberstedt bei Schleswig ist Vorreiter: Für ihr neues Gesundheitszentrum gründet sie eine GmbH, das Ärzte in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellt und so die ambulante Versorgung des Umlandes sichert.

Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen: Die Finanzierung steht, das Zentrum ist neu gebaut, die Ärzte sind eingezogen, andere Gesundheitsberufe sind im Boot. Der Managementauftrag für das MVZ ist ausgeschrieben, und mit der Ärztegenossenschaft Nord steht ein ernsthafter Bewerber bereit.

Die Genossenschaft hat die Vorarbeiten für das MVZ begleitet und bringt Erfahrungen aus dem Management vergleichbarer Einheiten wie etwa aus der kommunal geführten Eigeneinrichtung in Büsum mit.

Die entscheidende Hürde aber nahm das Projekt mit der Überzeugung der Ärzte vor Ort. Hierzu gab es schon vor Jahren Anstrengungen des Amtes Arensharde, um ein gemeinsames Zentrum für die ambulante Versorgung zu errichten. Dieser Anlauf scheiterte, obwohl von den sieben der im Amt niedergelassenen Ärzte vier voraussichtlich in den kommenden zehn Jahren aufhören werden – zu unterschiedlich waren die Interessen der Ärzte und der Kommunalpolitik in sechs betroffenen Gemeinden.

Erfolgreiche Überzeugungsarbeit

Die Gemeinde Silberstedt gab nicht auf. Dort praktiziert seit 1988 Hausarzt Wolfgang Schulz, der als Mitglied der Gemeindevertretung und Stellvertreter des Bürgermeisters auch kommunalpolitisch engagiert ist. Er informierte sich über alternative Möglichkeiten, überzeugte Bürgermeister Peter Johannsen und die anderen Kommunalpolitiker, suchte nach Kollegen, die Interesse an einem gemeinsamen Modell hatten – und fand sie im eigenen Amt.

Dr. Christiane Schmitz-Boje war im Nachbarort Hollingstedt niedergelassen, entdeckte eine von Schulz in der Fachpresse geschaltete Anzeige und nahm Kontakt auf. Hinzu kam Hans Christian Brall, der eine Einzelpraxis in Treia führte. Die drei Ärzte kannten sich bereits, hatten nach eigenen Worten in den vergangenen Jahrzehnten als Einzelkämpfer „nebeneinander her gearbeitet“. Sie alle wussten um die Perspektive der Praxen im Amt, konnten sich eine Zusammenarbeit unter einem Dach vorstellen.

Silberstedt machte Nägel mit Köpfen: Für ein Investitionsvolumen von 4,4 Millionen Euro wurde ein Gesundheitszentrum errichtet, für das die Ärzte den Grundriss ihrer Praxisräume bestimmten und in das eine Apotheke und eine Physiotherapie ebenfalls schon eingezogen sind. Die Ärzte zogen um und arbeiten dort bis zur offiziellen Gründung des gemeindeeigenen MVZ noch selbstständig in Praxisgemeinschaft.

Mit Gründung des MVZ werden sie dann angestellte Ärzte des MVZ – so wie ihre Mitarbeiter. Die dann zwölf Beschäftigten haben sich schon jetzt zum Team gefunden: „Wir sind alle erstaunt, wie gut es menschlich passt“, sagt Schulz.

Die Teamarbeit unter einem Dach gefällt den erfahrenen Ärzten und gibt ihnen auch Hoffnung auf junge Ärzte, die sich für das Modell interessieren. Schulz ist sicher, dass sich in den kommenden Jahren, in denen die drei noch praktizieren, Interessenten für eine Anstellung finden.

Ohne Reibungen gelang die Zentrumsbildung allerdings nicht, Treia und Hollingstedt stehen nun ohne eigenen Arzt auf Gemeindegebiet dar. Zwar akzeptierten die meisten Patienten, dass sie nur wenige Kilometer fahren müssen und dort auch ein tragfähiges Zukunftsmodell vorfinden – begeistert seien sie nicht gewesen. Brall schätzt die Zahl der Patienten, die ihn in Silberstedt nicht mehr konsultieren, aber nur auf rund zehn.

Optimistisch in die Zukunft

Auch die Finanzierung ist kein Selbstgänger, so Laura Löffler von der Ärztegenossenschaft Nord. Zuschüsse hätte es keine gegeben, eine schwarze Null für den künftigen Betrieb der Praxen ist nicht zu erwarten.

Bürgermeister Peter Johannsen verweist aber auf die wichtige Funktion des Gesundheitszentrums für seine wachsende Gemeinde. Ein kleines Defizit darf durch den ärztlichen Betrieb zwar entstehen, die Mieten der übrigen Angebote im Gesundheitszentrum werden dies aber ausgleichen.

Wie optimistisch man in Silberstedt bei diesem Thema ist, zeigt sich neben dem Zentrum: Dort wird in einem zweiten Bauabschnitt Platz für Tagespflege, Sanitätshaus und weitere Gesundheitsberufe wie Logopäden, Ergotherapeuten und Podologen geschaffen.

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