Deutschland - Mauerblümchen im Medizintourismus

Deutsche Kliniken tun sich noch schwer, betuchte Patienten aus dem Ausland anzuwerben. Dabei gibt es eine Menge Potenzial für zusätzliche Honorarquellen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Hoher Besuch im Kanzleramt: Auch als Medizintouristen kommen Besucher von der arabischen Halbinsel nach Deutschland.

Hoher Besuch im Kanzleramt: Auch als Medizintouristen kommen Besucher von der arabischen Halbinsel nach Deutschland.

© Metodi Popow / imago

FRANKFURT/MAIN. Hohe medizinische Qualität, hoher Spezialisierungsgrad und international konkurrenzfähige Preise für medizinische Eingriffe - die Rahmenbedingungen sollten eigentlich stimmen und reihenweise Patienten aus dem Ausland zu einer Behandlung nach Deutschland kommen.

Doch mit im vergangenen Jahr gerade einmal 70.000 Patienten aus dem Ausland muss die Bundesrepublik noch kräftig die Werbetrommel rühren, um Deutschland vom Mauerblümchen-Dasein in der Welt des internationalen Medizintourismus zu erlösen.

Genau das tut sie aber nicht, zumindest nicht von offizieller und damit von Regierungsseite.

Darauf weist die aktuelle, interne Studie "Medical Tourism" des global ausgericheten Think Tanks Diplomatic Council (DC) hin, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Mangelnde internationale Ausrichtung ist ein Manko

Auch wenn vor allem für Araber und Russen qualifiziertes Personal und medizinisches Hightech-Equipment Stimulatoren für eine Behandlung im Ausland sind, so mangelt es den Krankenhäusern in Deutschland pauschal gesagt noch an einer Strategie zur internationalen Patientenakquise.

"Die hiesigen Kliniken sind noch zu wenig auf internationale Patienten eingestellt", attestiert Dr. Bettina Horster, die frisch gewählte Vorsitzende des International Health Forum im DC.

Horster wirft den Kliniken vor, sich nicht auf das hohe Anspruchsniveau betuchter Klientel einzulassen: "Die Wartezeiten sind häufig zu lang und der Komfort ist zu gering, um anspruchsvolle Patienten anzulocken."

Und weiter: "Vielen Kliniken mangelt es zudem schlichtweg an einer Ärzteschaft mit ausreichenden englischen Sprachkenntnissen. Auch den Bedürfnissen unterschiedlicher Religionen wird oftmals noch zu wenig Rechnung getragen."

Patienten kommen zum Großteil aus Nachbarländern

So ist es auch nicht verwunderlich, dass die meisten Medizintouristen im vergangenen Jahr aus den Nachbarländern Niederlande (elf Prozent), Frankreich (zehn Prozent), Österreich und Polen (je acht Prozent) sowie Belgien (sechs Prozent) kamen.

Hier punktet Deutschland laut der Studie vor allem mit seiner Eigenschaft als Mitglied der Europäischen Union, sodass eine Einreise unproblematisch und schnell vonstatten geht.

Zudem seien die Wartezeiten im europäischen Vergleich in Deutschland geringer. Bei ihren Eingriffen fokussierten die Medizintouristen vor allem kardiologische, onkologische und orthopädische Behandlungen.

Noch hat Deutschland nach Horsters Ansicht nicht den Anschluss verloren, wenn es darum geht, wohlhabende Patienten mit samt ihrer Entourage für eine medizinische Behandlung nach Deutschland zu locken und sie anderen Ländern abspenstig zu machen.

Ein Beispiel ist Jordanien, das im vergangenen Jahr, so der Bericht, 250.000 Medizin-Touristen verzeichnete, oder Singapur mit 600.000 Wahlpatienten.

Als Schwachpunkt sehen die Studienautoren vor allem die mangelnde internationale Transparenz bei der Zertifizierung an. Eine Klinik-Zertifizierung nach KTQ bedeute international wenig.

Einheitliche Zertifizierung fehlt

Ein gängiges Qualitätskriterium sei viel eher ein Zertifikat der unabhängigen amerikanischen Joint Commission International (JCI).

Laut Studie sind in ganz Deutschland nur wenige Einrichtungen freiwillig JCI-zertifiziert: die Unikliniken Aachen, Charité, Dresden, Eppendorf, Freiburg, Heidelberg und Kiel, die DRK-Kliniken in Berlin, das Klinikum Chemnitz, das Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig sowie das Städtische Klinikum München.

Das Fehlen einer einheitlichen, internationalen Zertifizierungsstelle für Kliniken macht auch DC-Generalsekretärin Hang Nguyen im Vorwort zur Untersuchung für die weit variierende Bandbreite der Qualität medizinischer Eingriffe weltweit verantwortlich.

Für die nächsten Jahre rechnet der DC-Report trotz der beanstandeten Schwächen im Hinblick auf sehr wohlhabende Patienten aus Russland und dem Orient für Deutschland mit einer ansteigenden Welle von Medizintouristen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine Sache für Spezialisten

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Geschäftszahlen 2024

Asklepios meldet Umsatz- und Gewinnwachstum

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Knappe ärztliche und Pflege-Ressourcen

Wie die Peritonealdialyse die Personalprobleme lindern könnte

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Alternatives Versorgungsmodell

Wenn der „Zuhause-Arzt“ alle Hausbesuche übernimmt

Lesetipps
Frühgeborenes Baby schlafend im Inkubator auf der Intensivstation mit angeschlossenen Überwachungskabeln.

© Toshi Photography / stock.adobe.com

Frühgeburt

Frühgeborene: Was bringen Probiotika?

Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus