Junge Ärzte

Die eigene Praxis erst im zweiten Schritt

Jahrelang haben viele Ärztefunktionäre allzu schwarz gemalt, wenn es um die Chancen und Risiken der Niederlassung ging. Seit einigen Jahren ändert sich das – und die junge Generation entdeckt nun Möglichkeiten einer flexiblen Lebensgestaltung, die auch und gerade in eigener Praxis umsetzbar sind.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Es ist ein Balanceakt: Wenn die Honorarverhandlungen für Vertragsärzte und -psychotherapeuten starten, dann sammeln die Spitzen der Ärzteschaft Argumente für ein höheres Honorar. Wenn sie dabei aber übertreiben und die Lage der niedergelassenen Ärzte allzu pessimistisch darstellen, dann drohen Kollateralschäden an ganz unerwarteter Stelle: Der Ärztenachwuchs könnte sich abgeschreckt fühlen und den Weg in die Niederlassung verweigern.

In genau diese Falle sind Ärztefunktionäre über viele Jahre immer wieder getappt – und machten Medizinstudierenden sowie Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung dadurch nicht gerade Mut, eine eigene Praxis oder den Weg in die Selbstständigkeit in einer Kooperation anzustreben.

Wie viele Jungmediziner haben auf eigene Praxis verzichtet?

Inwieweit dadurch tatsächlich Jungmediziner von der Niederlassung Abstand genommen haben, lässt sich natürlich nur schwer quantifizieren, weil sich viele Rahmenbedingungen gleichzeitig verändert haben.

So ist es durch die Gesundheitsreformen der vergangenen 20 Jahre Ärzten erleichtert worden, in der ambulanten Medizin in Anstellung zu arbeiten. Besonders das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, das vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, hat die Möglichkeiten, als angestellter Arzt in der ambulanten Medizin zu arbeiten, erheblich erweitert.

In der Folge haben sich immer mehr Kooperationen gebildet, die viele angestellte Ärzte beschäftigen: So arbeiteten laut KBV Ende vergangenen Jahres 14.317 Ärzte und Psychotherapeuten in 2156 Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), davon 12.879 in Anstellung.

14.295 Ärzte und Psychotherapeuten waren in freien Praxen angestellt. Die Zahl der angestellten Ärzte und Psychotherapeuten in der vertragsärztlichen Versorgung ist damit von 2005 bis Ende 2015 um den Faktor 10 gestiegen.

Keine Einbahnstraße

Doch ist der Weg in die Anstellung keine Sackgasse, sondern häufig eher ein Übergang, wie die Erfahrung zeigt.

Viele Nachwuchsärzte suchen nach der Weiterbildung zunächst die Anstellung in einer Praxis oder im MVZ, um dort weitere Erfahrungen in der ambulanten Medizin zu sammeln und auch schon das System der Abrechnung zu verstehen. So ist später der Einstieg in die Selbstständigkeit kein Sprung ins kalte Wasser.

Je länger ein junger Arzt aber in der ambulanten Medizin als angestellter Arzt arbeitet, desto mehr kann die Einsicht wachsen, dass die Niederlassung nicht nur Chancen auf ein höheres Einkommen bringt – wenn die eigene Praxis gut organisiert ist –, sondern dass zusätzlich der Spielraum für ein selbstbestimmtes Leben in vielen Fällen sogar wächst.

Natürlich gibt es ihn immer noch, den Landarzt, der jede Woche 60 bis 70 Stunden für seine Patienten da ist und der deshalb kaum Zeit für seine Familie hat. Aber ebenso gibt es BAG auf dem Land und in der Stadt, in denen die Ärztinnen und Ärzte sich die Arbeitszeit flexibel einteilen.

Und es gibt auch immer mehr Teilzulassungen, halbe Arztsitze, die durchaus nicht immer mit angestellten Ärzten besetzt werden. Das reduziert die Präsenzpflicht in der Praxis, schafft Freiräume für die Familie – und ermöglicht bei vorhandenen Kapazitäten die Erweiterung der ärztlichen Tätigkeit, zum Beispiel durch die Etablierung von Selbstzahlerleistungen oder in Kooperationen mit Krankenhäusern oder in Teilzeitbeschäftigung in der Klinik.

Die Möglichkeiten der Kooperation sind riesig; zudem hat der Gesetzgeber im Versorgungsstrukturgesetz die Flexibilität für Ärztinnen und Ärzte mit Kindern erhöht und die Beschäftigung von Entlastungsassistenten für bis zu drei Jahren pro Kind erlaubt und Vertretungsmöglichkeiten danach noch weiter ausgebaut.

Kein hohes Risiko?

Wer unter diesen deutlich verbesserten Rahmenbedingungen den Schritt in die Niederlassung wagt, braucht kein hohes Risiko zu fürchten: Die Ausfallrate bei Existenzgründungskrediten für niedergelassene Ärzte liegt laut Deutscher Apotheker- und Ärztebank bei zwei von 1000.

Mit ihren Kampagnen für die Niederlassung versuchen die KBV und auch viele KVen, junge Ärzte zu motivieren, den Schritt in die Niederlassung zu wagen. Helfen können bei dieser Entscheidung – vor allem auf dem Land – vielfältige Fördermöglichkeiten durch die KV, durch Förderbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, aber auch durch Länder und Kommunen.

Bis zu sechsstellige Beträge sind bei der Neuniederlassung oder Praxisübernahme insgesamt für Ärzte in Reichweite: In Bayern etwa gibt es für die Niederlassung in strukturschwachen Gebieten bis zu 60.000 Euro vom Gesundheitsministerium, dazu kommen Fördermaßnahmen von KV und Krankenkassen. Insgesamt können für eine Niederlassung so bis zu 110.000 Euro fließen.

Welche Möglichkeiten bieten sich jungen Ärzten in der Niederlassung? In einer "Karrieresprechstunde" machten Experten Nachwuchsmedizinern Mut.

www.aerztezeitung.de/924881

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Henning Fischer 07.01.201717:31 Uhr

Tatsachen: Die Krankenkassen bezahlen lediglich 62% der erbrachten Leistungen


die Praxen sind im Falle des Falles (schwere Krankheit ect.) in der Regel unverkäuflich (hier in Herford bereits mehr als 10 verschrottet), die Investitionen überwiegend futsch.

Bloß nicht den Zahlen von Banken und KVen trauen!

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

In der Niederlassung

Körperliche Untersuchung vor einem Ultraschall – sinnvoll oder nicht?

Junge Professorin

Carolin Schneider: Weibliches Vorbild in der Forschung

Lesetipps
Ein Gefäß mit atherosklerotischen Plaques

© Tatiana Shepeleva / stock.adobe.com

Primärprävention

Empfehlungen aktualisiert: LDL-Cholesterin wann und wie senken?